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Freitag, 29. März 2024
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Fahrbericht / Gutes Antriebskonzept trifft Detailmängel und hohen Preis

Unterwegs im Ford Fiesta PowerShift

Autokiste
Jetzt auch mit Doppel-
kupplungsgetriebe: Ford Fiesta
Doppelkupplungsgetriebe sind eine Domäne des VW-Konzerns, bekommen aber zunehmend Konkurrenz. Etwa von Ford, wo die moderne Automatik jetzt auch im Fiesta zu haben ist. Auf einer kurzen Ausfahrt im Raum München gefällt sie besser als der Rest des Autos. Kleinwagen mit Automatik sind noch rar - aber es werden ständig mehr, genau wie der A-Anteil in den höheren Klassen stetig steigt. Ein Vertreter dieser Spezies ist der Ford Fiesta, dessen PowerShift genanntes Direktschaltgetriebe mit sechs Fahrstufen schon seit einiger Zeit bestellt werden kann und das der Hersteller jetzt der Presse präsentierte.

Motorseitig offerieren die Kölner die neue Schaltbox ausschließlich in Kombination mit dem EcoBoost-Aggregat in der 100-PS-Variante mit 170 Newtonmetern Drehmoment. Dieser oft gelobte Motor ist für einen Dreizylinder wie bereits früher berichtet gut gelungen, sowohl in Sachen Laufkultur als auch Geräuschkulisse und Kraftentfaltung, mithin eine vernünftige Wahl, zumal Ford keine modernen Vierzylinder in petto hat. Die Maschine hängt, wie man so sagt, gut am Gas, und die Automatik hat ihren Anteil daran.

Tempo 100 ist laut Datenblatt in 10,8 Sekunden erreicht, was sich in der Praxis besser anfühlt als es sich anhören mag. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 180 km/h und damit auf einem Niveau, das man in dieser Klasse sowieso eher nicht überschreiten mag. PowerShift verrichtet seine Arbeit schnell und weitestgehend unauffällig und macht das Fahren gerade in einem so kleinen Auto etwas souveräner, jedenfalls sofern man so schlau ist und den normalen Getriebe-Modus wählt. Im Sport-Programm wird meist einen Gang höher gefahren als nötig, was den Verbrauch treibt, vor allem aber eine akustische und gefühlte Unruhe ins Auto bringt, die in der Praxis mehr stört als dass sie sportlich anreizend erschiene.

Genauso ist es mit der Möglichkeit, manuell zu schalten: Man würde sie ungern missen wollen, benutzt sie aber doch nur selten, weil die automatische Steuerung es mindestens so gut kann und weil etwa manuelles Runterschalten als Motorbremse wiederum Hektik ins Fahren bringt, die dem eigentlichen Charakter zuwiderläuft. Dass sich die Tasten zur manuellen Gangwahl nicht als moderne Schaltpaddles am Lenkrad finden, sondern seitlich am Wählhebel, ist dagegen mehr eine interessante, preiswerte und durchaus praxistaugliche Idee denn ein Mangel, haben doch die meisten Autofahrer sowieso nicht ständig beide Hände am Volant, wie dies oft suggeriert wird.

Apropos Verbrauch: 4,9 Liter weist das Datenblatt aus, angesichts des Komfortgewinns akzeptable 0,6 mehr als für den Handschalter. In der Praxis sollte man an die sieben Liter rechnen. Schade, dass Ford zwar ein System zur Bremsenergie-Rückgewinnung integriert, auf das sonst damit meist gekoppelte Start-Stopp-System jedoch verzichtet, auch wenn es auf dem Papier mehr bringen würde als im realen Betrieb.

Das Fahren im Fiesta ist also angenehm, auch weil die Kölner es bekanntlich verstehen, Fahrwerke zu bauen und gut abzustimmen. So kann man mit dem Auto genüsslich und entspannt durch die Stadt oder über Land cruisen oder auch flitzen; Lenkung, Bremsen und Straßenlage sind gut, das ESP regelt sanft, und dass sechs Gänge für eine bessere Abstufung und ein insgesamt niedrigeres Drehzahlniveau sorgen als die manuellen fünf der anderen Fiesta-Modelle, versteht sich von selbst.

Im übrigen präsentiert sich der Fiesta nur als durchschnittlicher Kleinwagen, der etwa im Vergleich mit dem VW Polo in Sachen Wertanmutung und Detailliebe deutlich abfällt. Die unperfekte Wischergeometrie und die sichtbaren Wischdüsen, die lange Antenne, nur vier Radschrauben, Trommelbremsen hinten oder die Griffmulde an der links zu findenden Tankklappe sind Beispiele hierfür. Auch das Interieur bemüht sich zu wenig um Wohlfühl-Ambiente: Das Armaturenbrett ist wuchtig, aber weder schön noch einheitlich, das Display auf der Mittelkonsole zu klein, ein Kühlwasserthermometer nur digital vorhanden, die Kopfstützen hart, die Instrumente mäßig ablesbar - und die Multimedia-Einheit ein Graus in Sachen Design und Bedienung und damit ein Musterbeispiel für die verfehlte Strategie nicht nur von Ford, sondern auch von Zulieferer Sony. Immerhin liegt das Lenkrad gut in der Hand und gibt die Verarbeitung keinen ernsteren Anlass zur Kritik.

Preislich startet der Fiesta aktuell bei 10.950 Euro. Die gefahrene Variante mit PowerShift ist ab 16.000 Euro zu haben, dann aber noch mager ausgestattet. Die mit Klimaanlage, Radio, Alurädern und dem lobenswerten, anderswo kaum zu bekommenden Notruf-System versehene Linie "Sync Edition" sollte es also mindestens sein, sie kostet ab 17.670 Euro und damit sogar etwas mehr als ein vergleichbarer Polo (Vierzylinder, 90 PS, 7-Gang-DKG, 4,7 Liter Verbrauch). Als Fünftürer und mit ein paar weiteren Extras kommen dann schnell jene über 22.000 Euro zusammen, die auf dem Preisschild des Testwagens standen. Da dürften potentielle Kunden schnell ins Grübeln kommen, ob man nicht entweder einen einfacheren Fiesta - oder gleich einen Focus wählt. Beide sind übrigens die Bestseller ihrer Klasse: Nicht in Deutschland natürlich, aber weltweit.
text  Hanno S. Ritter
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