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Donnerstag, 28. März 2024
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Multivan & Co. sind nicht perfekt, aber charaktervoll

Unterwegs im VW T5 Bulli: Das Original

Volkswagen
"Das Original":
VW T5, hier als California
VW lädt zum Bulli-Fahren, wer kann da schon nein sagen? Eine Ausfahrt in sieben Modellen aus drei Generationen bringt keine neuen Erkenntnisse, aber viel Vergnügen. Das Auto ist genau so, wie es gerade beworben wird: Eine Ikone seit Jahrzehnten – teuer, flexibel und mit Haben-wollen-Charme. Normalerweise schreibt man über ein Auto, wenn es etwas Neues gibt. Das ist auch beim VW T5 so, wenn auch etwas spezieller: Die Neuheit ist nicht etwa die 140-PS-Bluemotion-Variante, sondern eine mit Stern. Die heißt V-Klasse, kommt aus Stuttgart respektive Spanien und mischt gerade den Markt der großen Vans ordentlich auf, weil sie längst nicht mehr so lieblos gemacht ist wie der bisherige Viano und weil sie, daran führt kein Weg vorbei, als komplette Neukonstruktion manches besser kann als der schon seit 2003 erhältliche T5.

Bei Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN), wo man den T5 also jahrelang nahezu ohne ernsthafte Konkurrenz mehr verteilt als verkauft hat, hört man V-Klasse folglich gar nicht gern. "V-Klasse, was ist das?", fragt ein Mitarbeiter denn auch und versucht, ein möglichst ernstes, nichtssagendes Gesicht aufzusetzen. Und dabei bleibt es auch, man will den neuen Mitbewerber nicht kommentieren, auch wenn das vielleicht sympathisch sein könnte.

Sympathisch dagegen ist die Werbekampagne, die VWN wohl als Reaktion auf den Mercedes in Auftrag gegeben hat, und die natürlich mit der langen Historie des VW-Bus' spielt. Unter dem Claim "Das Original" zeigt sie ebenso gekonnt wie unaufdringlich in diversen Spots und Motiven viele glückliche Menschen mit vielen verschiedenen T-Varianten aus sechseinhalb Jahrzehnten.

Und tatsächlich: Nur wenige Autos haben eine so lange Geschichte wie der VW Bus, nur wenige verbindet man so mit dem wirtschaftlichen Aufschwung im Nachkriegs-Deutschland, und nur wenige sind so zur Ikone geworden wie dieser Van, den die meisten doch nur Bus oder Bulli nennen, inzwischen elf Millionen Mal produziert wurde und heute der Standard ist - für den Elektriker um die Ecke, für den Flughafen-Shuttle und für wohlhabende Familienväter, die sich respektive der Frau niemals einen langweiligen Sharan, aber gerne einen viel teureren, charaktervollen T5 vors Häuschen stellen.

Vor diesem Hintergrund also hat VWN zur Probefahrt in den Chiemgau geladen, gutes Wetter bestellt und die Historie auch insoweit greifbar gemacht, als T1 und T2 mit von der Partie sind. Darüber alleine könnte man lange schwärmen: Über den wunderbar klapprigen, etwas heiseren, fein restaurierten T1, bei dem der Autor den Rückwärtsgang nicht einlegen kann, keine Gewalt anwenden mag und die wertvolle Fuhre deshalb lieber 100 Meter rückwärts schiebt - und über den merklich reiferen, hier vollausgestatteten T2, der mit hohem Lenkungsspiel über die Landstraße schaukelt, wunderbar klingt und am liebsten mit dem Fahrer, Frau und Kind sofort auf eine schöne Tour Richtung Nordkap aufbrechen würde.

Oder war es andersherum? Jedenfalls, auch im aktuellen T5 will sich dieses, sorry fürs Klischee, Gefühl von Freiheit und Abenteuer sofort einstellen; das Auto bietet, obschon es ja eigentlich ein Nutzfahrzeug ist, Wohlfühl-Ambiente und vermittelt fast so wie ein alter W123-Benz das Gefühl, die Tour ohne jedes Aufhebens mitzumachen. Obwohl längst dem luftgekühlten Heckmotor-Konzept entflohen, schwingt gefühlt immer etwas Käfer-Charme mit.

Für die Reise eignet sich dann der California am besten, der zwar mangels Dusche und WC "nicht wirklich" als Wohnmobil durchgeht, mit seinem Aufstelldach, der kleinen Küche und den in die Heckklappenverkleidung integrierten Campingstühlen aber jede Menge Reiseflair versprüht - eine Unabhängigkeitserklärung auf Rädern sozusagen, mit der man ins Büro fahren kann (wenn dort keine Tiefgarage das Unterfangen vereitelt), zum schwedischen Möbelhaus, Kindergarten, Wochenendausflug oder Baumarkt. Kaum ein anderes Auto bietet so viel Flexibilität, wenn man auch konstatieren muss, dass das mögliche Ausbauen der hinteren Sitze angesichts deren Größe und Gewicht vor allem eine theoretische Möglichkeit darstellt. Egal, der California, noch mehr der Multivan lädt Fahrrad und Kinderwagen trotzdem ein.

Fahrleistungen? Ladekantenhöhe? Verbrauch? Innengeräusch? Nein, darum soll es hier nicht gehen, und darum dürfte es bei dem Auto auch den wenigsten Käufern gehen. Objektiv betrachtet, kann nicht nur die V-Klasse, sondern auch ein Sharan oder Passat vieles besser, und fraglos würde man sich wünschen, VW hätte das letzte Facelift speziell in Sachen Ausstattung und Armaturenbrett etwas umfangreicher ausfallen lassen oder seither ein bisschen weiter modernisiert. Dies umso mehr, als der T5 im allgemeinen und der Multivan im Besonderen ein richtig teures Vergnügen sind. Schon ein Comfortline 2,0 TDI DSG kostet 48.600 Euro, und am Ende des Konfigurationsprozesses werden daraus trotz selbstauferlegter Zurückhaltung leicht 62.000, wohlgemerkt ohne Allrad, obschon das die Unabhängigkeitserklärung dick einrahmen würde. Für das Geld bekommt man auch einen anständigen Audi A6 3,0 TDI.

Natürlich tut man gut daran, im T5 den 140-PS-TDI zu orden, weil man sonst zu oft an den erwähnten, gerne als Wanderdüne betitelten W123-Diesel denken muss. Mit diesem Motor ist der California ausreichend flink unterwegs, schafft 8 Liter Verbrauch (wenn es sein muss) und dürfte bei guter Behandlung an die 300.000 Kilometer halten. Die Variante mit 180 PS ist naturgemäß schneller, aber der Unterschied ist weniger groß als erwartet, wozu auch der im Multivan-Testwagen vorhandene 4Motion-Allradantrieb seinen Teil beigetragen haben dürfte.

Richtig viel Fahrspaß macht der 2,0 TSI mit 204 PS - der GTI-Motor aus dem Golf VI ist nicht nur druckvoll, sondern auch sehr kultiviert, kurz: bei jeder Begegnung aufs Neue eine feine Maschine. Alltagstauglich ist sie im T5 freilich höchstens für Wenigfahrer. Auf unserer flink gefahrenen Tour inklusive einiger Berg- und Serpentinenstrecken und Überholmanöver zeigte der Bordcomputer schließlich um die 23 Liter Verbrauch an, und selbst im Alltag dürften es oft derer 15 werden. Diesel ist also die klare, wenig überraschende Empfehlung. Auch im langen Caravelle gefällt der Antrieb, und selbst die kleine BlueMotion-Variante mit 114 PS im einfachen Transporter war, jedenfalls unbeladen, noch gut auszuhalten. Angenehm fahren, ordentlich bremsen, nicht allzu stark wanken tun sie alle, unaufdringlich klingen, anständig bremsen und prima schalten auch, lediglich die Klimaanlage erschien trotz mäßiger Außentemperaturen etwas schwachbrüstig. Auf der Wunschliste steht außerdem ein Panorama-Glasdach.

Der Tag neigt sich dem Ende, ein Golf wartet auf die Rückfahrt und wird dabei schneller, leiser und komfortabler als ein T5 sein, es aber nicht nur an dessen Raum und Flexibilität, sondern auch an Esprit mangeln lassen. Beim abschließenden Small-Talk ergibt sich denn neben der V-Klasse noch ein weiteres No-go-Thema für die VW-Mannen: T6. Wann und wie ein Nachfolger kommt, wird nicht enmal aaaansatzweise verraten.

Man muss oder darf wohl davon ausgehen, dass der T6 kein ganz neues Auto wird, sondern eine umfassende Überarbeitung des T5 - ein Rezept, wie VW es schon öfter und durchaus erfolgreich umgesetzt hat. Weitere Leistungs- und Effizienzsteigerungen, neue Designdetails, LED-Lichter, Tuben-Instrumentierung, mehr Extras und Assistenzsysteme und - überfällig - neue Multimedia-Systeme sind zu erwarten, ebenso, dass das Projekt eben wegen der neuen Konkurrenz mit Hochdruck vorangetrieben wird, auch wenn V-Klasse und T5 bei den Statistikern des KBA noch friedlich in zwei verschiedenen Segmenten geführt werden. Sollte sich das bewahrheiten, wird der T6 auch die angenehme Kompaktheit beibehalten: Ein Multivan ist aktuell nur ein iPhone länger als ein Passat, während der Stern-Van weitere 25 Zentimeter Raum fordert.

Die mit Abstand wichtigste Herausforderung wird jedoch sein, den Charakter zu bewahren. Der T5 jedenfalls bietet zwar aktuell keine Neuerungen, aber er ist - sorry Mercedes - zweifellos: Das Original. Der Bus. Bis bald, Bulli.
text  Hanno S. Ritter
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