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Die neue Mercedes E-Klasse
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© DaimlerChrysler AG
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Mitte Januar wurde die neue Mercedes E-Klasse (interne Baureihen-Bezeichnung W211) erstmals der Öffentlichkeit
präsentiert (Autokiste berichtete ausführlich), am morgigen Samstag nun kann die neue Generation erstmals
bei den Mercedes-Niederlassungen und -händlern in natura besichtigt und auch bestellt werden.
Wer sich jedoch für das Auto selbst mehr interessiert als für bunte Image-Videos und Volksfest-Atmosphäre,
dem empfehlen wir, die erste Besichtigung auf die nächste Woche zu verschieben: Alleine in der Niederlassung
Nürnberg werden am Samstag rund 6.000 Besucherinnen und Besucher erwartet - trotz der rund 15 vorhandenen
Modelle dürfte hier eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Auto kaum möglich sein.
Die Autokiste-Redaktion hatte heute vorab die Möglichkeit zu einer genauen Besichtigung und auch zu einer
kurzen Probefahrt. Hier unsere ersten Eindrücke:
Jenseits aller unterschiedlichen Geschmäcker darf man wohl konstatieren, dass die neue Generation in punkto
Design gelungen ist. Die prinzipiell bekannte Linienführung des Vorgängers wurde sanft, aber doch merklich
und an allen Stellen verfeinert. Die neue E-Klasse kommt so ein gutes Stück sportlicher, aber ebenso auch
deutlich eleganter als bisher auf den Markt. Die Frontansicht trägt weiterhin das bekannte Vier-Augen-Gesicht,
nun aber etwas schräger, mit Klarglasscheinwerfern und einem überarbeiteten Grill. Der Eindruck von hinten: bullig, aber
in allen Einzelheiten gut gezeichnet - nur die dritte Bremsleuchte könnte man sich fast besser in der Scheibe vorstellen.
Die Seitenansicht profitiert insbesondere von den nun kürzeren Karosserieüberhängen - die Proportionen sind gelungen.
Auch der Blick in den Innenraum erfreut den Autokiste-Redakteur: Keine Spur des auch an dieser Stelle schon
oft gescholtenen "Billig-Eindrucks" aus A- und C-Klasse und insbesondere dem neuen Vaneo. Hier
haben sich die Stuttgarter - endlich, darf hinzugefügt werden - wieder Mühe gegeben, auch in den Details. Das
ganze Interieur wirkt hochwertig und wie aus einem Guss. Die Sitzposition auf dem x-fach (teilweise elektrisch
auch in der Serienausstattung) verstellbaren Gestühl ist geradezu ideal, auch das Lenkrad ist vertikal und axial elektrisch
verstellbar - mittels eines kleinen neuen Hebels unterhalb des Multifunktionsschalters (Blinker pp.). Zum Wohlfühl-Gefühl
trägt auch bei, dass das "Fensterbrett" nun wieder einigermaßen bequem als Armauflage genutzt werden kann, was in vielen
anderen modernen Autos (Audi, Passat, Golf) und auch im Vorgänger W210 nicht mehr gegeben ist. Die Bedienungselemente
geben keinerlei Rätsel auf, alles ist an seinem Platz. Die Fensterheber-Schalter sitzen nun besser erreichbar
in der Tür, die beiden Displays der (weiterhin abschaltbaren) Parkhilfe sind unauffällig in das Cockpit bzw. den hinteren
Dachhimmel integriert. Alle Anzeigeinstrumente sind einwandfrei ablesbar, lediglich das verzögerte Ansprechverhalten des
Tachos trübt den Eindruck etwas. Die Armaturen haben nun wieder wie zu Zeiten des Vor-Vor-Vorgängers (W123 ohne
Drehzahlmesser) eine große runde Analoguhr, die auch vom Beifahrersitz gut ablesbar ist. Tank- und Temperaturanzeige sind
nun kleine Digitalanzeigen - nicht wirklich schön, aber akzeptabel.
Die großzügige Beleuchtung von Innenraum und Cockpit ist ebenfalls gelungen. Je nach Ausstattungsumfang gibt es leider den
ein oder anderen Blindstopfen, den man in der oberen Mittelklasse eigentlich nicht erwartet, aber es sind wenige und sie
sind unauffällig gestaltet. Beim Fahren stört je nach Lichteinfall, dass sich das große Belüftungsgitter oben auf dem
Armaturenbrett in der Scheibe spiegelt - das macht dann auch klar, warum es so etwas bei Mercedes bisher aus gutem
Grund nicht gab. Der Zigarettenanzünder sitzt leider immer noch unter der Aschenbecher-Klappe - eine Lösung, die bei einer
Handy-Nachrüstung ungünstig ist. Das kann die C-Klasse ausnahmsweise besser.
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Blick auf
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© DaimlerChrysler AG
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die Mittelkonsole
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Die Klimaanlage - jedenfalls die aufpreispflichtige Vier-Zonen-Automatik, die im Gegensatz zur serienmäßigen Anlage auch ein
Display besitzt - ist einwandfrei bedienbar. Die Schalterblende in der Mittelkonsole fährt nach dem Antippen elektrisch nach
oben (darunter verbirgt sich ein Fach oder der 6er-CD-Wechsler). Zusätzlich gibt es ein Brillen-/Handyfach neben dem
zweistöckigen, aber kleinen Handschuhfach. Zwischen den Sitzen gibt es weitere drei Fächer, von denen eines als Cupholder
nutzbar und ein weiteres im Sommer wie im Vorgänger klimatisiert ist. Im obenliegenden kleinen Fach ist das Handy montiert,
das aber nahezu vollständig über die Radioeinheit bedient werden kann. Diese Konsole zwischen den Sitzen dient auch als
Armauflage, ist dafür aber genau genommen etwas zu niedrig. Die früher verbauten klappbaren und im Winkel verstellbaren
Armlehnen waren die bessere Lösung. Wer auf die aufpreispflichtige elektrische Sitzverstellung verzichtet, muss leider auch
die Kopfstützen direkt an ihrer Halterung in der Höhe verstellen - das konnte schon der W124 (E-Klasse 1985-95) besser,
nämlich mittels Rändelrand seitlich am Sitz. Dafür sind die Unterkanten der Kopfstützen nun nach vorne herausklappbar - so
bequem war des Redakteurs Kopf im Auto noch nie unterwegs.
Die Radio-Navigationseinheit ist etwas "plastikmäßig" im Design, erfreut aber durch ein gutes Display und einfache
Bedienung. Das optional lieferbare Glasdach lässt den Innenraum sehr hell und großzügig wirken, ist in punkto Windgeräusche
recht zurückhaltend und natürlich mit innenliegenden elektrischen Rollos versehen. Die Kopffreiheit ist auch bei der
Glasdach-Variante gut. Die Türen öffnen weit - nicht so weit jedoch wie bei einigen Audi-Modellen - und haben nun auch zwei
mittlere Raststellungen statt deren einer.
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Interaktive Betriebsanleitung
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Am heutigen Freitag hat Mercedes eine interaktive Betriebsanleitung der neuen E-Klasse
im Internet bereitgestellt, die alle Innovationen der Limousine vorstellt - zum
Selbsterleben. Das Multifunktions-Display lässt sich ebenso realistisch bedienen
wie das neue Radio- und Navigationssystem "Audio 50 APS". Auch das neue Innenlichtkonzept
sorgt auf Wunsch für unterschiedliche Lichtsituationen. -
Die interaktive Betriebsanleitung im Internet wurde erstmals bei der SL-Klasse im Herbst 2001 vorgestellt
(Autokiste berichtete).
Gut umgesetzt und sehr ausführlich:
E-Klasse Betriebsanleitung »
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Im Fond gibt es Türtaschen, außerdem Lüftungsauslässe sowohl in der Mittelkonsole als auch seitlich in den
B-Säulen. Die Aschenbecher in den Türen klappen auf Knopfdruck aus. Das Platzangebot ist gut, gefühlsmäßig
aber eher kleiner als im Vorgänger. Die neue E-Klasse sitzt wie ein guter Maßanzug.
Der Kofferraum - natürlich wieder vom Innenraum und auch per Fernbedienung zu öffnen - hat wie bei modernen
Autos üblich eine relativ kleine Öffnung, offenbart dann aber überraschend viel Größe. Mangels Reserverad
(Notrad auf Wunsch aufpreisfrei) gibt es unter dem Laderaumboden ein weiteres wirklich großes Fach.
Die Rückenlehnen der Fondsitzbank sind umklappbar. Dabei klappen die Kopfstützen automatisch zurück, und
sie müssen auch bei vollständigem Umlegen auch der Sitzflächen (ergibt eine ebene Fläche) nicht demontiert
werden. Sind die Rückenlehnen nicht korrekt eingerastet, gibt der Bordcomputer im Cockpit Alarm - ein
sinnvolles Sicherheitsfeature.
Auf die Straße: Der Antriebskomfort darf als sehr gelungen bezeichnet werden. Abrollgeräusche, Federung
und Straßenlage sind über jeden Zweifel erhaben, auch in den Modellen ohne Luftfederung. Die sogenannte
"Chauffeursbremse" - ein Teil des elektrohydraulischen Bremssystems SBC, das alle Modelle serienmäßig
besitzen - funktioniert einwandfrei: Wird beim Anhalten etwa an einer Ampel der Bremsdruck vor dem
Stillstand nicht verringert (bei wenig geübten Fahrern häufig zu beobachten), erledigt dies die
Elektronik: Ein "Nicken" beim Anhalten gibt es nicht mehr.
Der Probewagen war mit dem 2,6-Liter-Sechszylinder ausgestattet (der wenig sinnvoll als E240 verkauft wird) - eine schöne
Maschine, die mit ihren 177 PS für die meisten Lebenslagen auch genügend Power mitbringt. Alleine die Kombination mit der
Automatik (mit Tiptronic-Funktion) kann nicht überzeugen: Das Getriebe schaltet bei stärkerem Gasgeben oft und hektisch
zurück - teilweise von Fahrstufe 5 nach 2. Das will nicht zum Charakter der großen Reiselimousine passen. Der große Bruder
namens E320 kann dies natürlich besser, da die höhere Leistung auch die Automatik entspannter reagieren lässt - und sparsamer
ist der große Sechszylinder nicht zuletzt deshalb obendrein.
Am Ende der Probefahrt dann doch noch ein ernüchternder Moment: Nach dem Abstellen des Fahrzeuges
meldet der Bordcomputer einen nicht näher spezifizierten Fehler in einer elektronischen Komponente
und verkündet "Elektrische Systeme deaktiviert". Was es zu bedeuten hatte, war nicht festzustellen -
und es hat den Eindruck, dass Mercedes sich langsam aber sicher wieder mehr auf
alte Tugenden wie Zuverlässigkeit, Qualität und Langlebigkeit besinnt, durchaus erschüttert.
Unterstellt und gehofft, es hat sich um einen Einzelfall gehandelt, darf die neue E-Klasse jedoch als überaus gelungenes Auto
gelten. Kein Zweifel, dass sich der Neue wie alle seine insgesamt rund zehn Millionen Mal verkauften Vorgängermodelle wieder
großer Beliebtheit beim - zahlungskräftigen - Publikum erfreuen wird.
(hsr)