Wer einem anderen Auto hinten auffährt, haftet in der Regel komplett für den Schaden. Doch es gibt Ausnahmen
von diesem Grundsatz, etwa dann, wenn jemand bei Dunkelheit auf einen anderen Wagen kracht, der nach einem Unfall
auf der Einfädelungsspur einer Autobahn steht. Das hat das OLG Hamm entschieden.
In dem vom Anwalt-Suchservice mitgeteilten Fall hatte eine Golf-Fahrerin nachts nach einem Unfall auf der kombinierten
Auf- und Abfahrtstreifen der A 43 angehalten. Eine andere Autofahrerin, welche die Autobahn an der Abfahrt verlassen
wollte, fuhr auf das Heck des stehenden Golfs auf.
Später vertrat die Golf-Fahrerin den Standpunkt, dass die Aufgefahrene allein für den Unfall aufkommen müsse. Diese, so
meinte sie, habe grob fahrlässig gehandelt, da der auf dem Abfahrtstreifen stehende Golf gut zu erkennen gewesen sei.
Das OLG Hamm sah das jedoch anders (Urteil vom 12.11.2004;
- 9 U 123/04 -).
Wer bei Dunkelheit auf einen gut erkennbaren Wagen auffahre, der auf dem Abfahrtstreifen stehe, handle nicht zwangsläufig
grob fahrlässig, so die Richter. Im vorliegenden Fall sei die Frau keinesfalls sehenden Auges auf das von ihr erkannte
Hindernis zugefahren. Sie habe sich vielmehr bemüht, den Golf durch Einfädeln in die Normalspur der Autobahn zu umfahren.
Wegen der dort herannahenden Fahrzeuge habe sie aber letztlich nicht ausweichen können und dann schlicht den Zeitpunkt
verpasst, zu dem sie eine Bremsung hätte einleiten müssen, um eine Kollision zu vermeiden.
Die Frau habe sich also bezüglich des Bremszeitpunktes verschätzt. Darin liege noch kein grob fahrlässiges Handeln. Der
Verstoß sei nicht derart gravierend, dass die Betriebsgefahr des Golfs, für die dessen Fahrerin grundsätzlich einzustehen
habe, dahinter vollständig zurücktreten würde, so die Richter.
Die Aufgefahrene müsse daher nicht allein für den Unfall haften. Vielmehr habe sie nur zu 80 Prozent für den Schaden
aufzukommen, während die Golf-Fahrerin zu 20 Prozent für die Betriebsgefahr ihres eigenen Fahrzeuges haften müsse.