BMW
Neuer BMW 1er
als Fünftürer
An einem Sonntag im Juni um Mitternacht macht sich BMW auf, die ersten Infos zum neuen 1er zu veröffentlichen.
Die zweite Generation wird größer und schwerer, bietet mehr Technikausstattung und überrascht mit dem ein
oder anderen Detail. Es bleibt bei Heckantrieb – vorerst jedenfalls; die Sechszylinder sind aber passé.
Die Karosserie der neuen BMW 1er-Reihe streckt sich jetzt gut 4,32 Meter in die Länge, das sind 8,5 Zentimeter mehr
als zuvor. Gegen einen VW Golf mit seinen 4,20 Metern ist das viel, insgesamt aber bleibt der 1er damit in seiner
Klasse unauffällig. Der Radstand macht das Wachstum nur um drei Zentimeter mit, so dass die Überhänge etwas größer
als bisher ausfallen. In der Breite legt der neue 1er-BMW um 1,7 Zentimeter auf 1,765 Meter zu, die Spurweiten wachsen
vorne um rund fünf und hinten um gut sieben Zentimeter.
Das Längenwachstum dient unter anderem dazu, der häufig geäußerten Kritik des zu geringen Platzangebots zu begegnen.
So gibt es jetzt gut zwei Zentimeter mehr Fußraum im Fond, das Kofferraumvolumen wächst um 30 auf 360 Liter. Klar
ist aber auch: Der 1er-BMW ist nach wie vor kein Musterbeispiel für Raumeffizienz, und das hat auch mit dem Festhalten am
Heckantrieb zu tun.
Über dieses feine Alleinstellungsmerkmal verfügt also auch die neue Generation, wobei BMW dessen Vorteile auch ausgiebig
erwähnt, gleichzeitig aber offenbar eine große Frontantriebs-Offensive plant. Medienberichten zufolge sollen künftig
über 40 Prozent aller Pkw (inklusive Mini) nur noch vorne angetrieben werden. Motto: Wenn Mercedes, VW und Audi diese
günstigere und leichtere Lösung gut verkaufen, können wir das auch, die meisten Kunden haben sich mit dem Thema sowieso
nie beschäftigt. Wie und wann genau BMW diese neue Architektur einführen wird, ist allerdings noch nicht so ganz klar.
Bei den Motoren hat die neue Zeitrechnung dagegen bereits begonnen: Einen Sechszylinder wird es im 1er nicht mehr
geben, jedenfalls nicht im Fünftürer. Stattdessen kommt ein neuer Vierzylinder-Benziner mit 1,6 Litern Hubraum zum Einsatz.
Weil dieser wie über Direkteinspritzung, Turboaufladung, die variable Ventilsteuerung "VALVETRONIC" und die variable
Nockenwellensteuerung "Doppel-VANOS" verfügt, rückt BMW ihn in die Nähe des entsprechenden Sechszylinders, wie er im Coupé
und Cabrio noch angeboten wird.
Das Aggregat wird zunächst in zwei Leistungsstufen verkauft: Der 116i kommt auf 136 PS, der 118i auf jene 170 PS, die
bisher im 120i erreicht wurden. Die Verbrauchswerte liegen um bis zu 0,8 Liter entsprechend zwölf Prozent unter dem
bisherigen Niveau.
Bei den Dieseln bleibt es bei der Zweiliter-Maschine, die aber im Detail optimiert wurde. Wesentliche Neuerung ist das
bisher dem 320d "EfficientDynamics Edition" (EDE) vorbehaltene, sogenannte Fliehkraftpendel für das Zweimassen-Schwungrad,
das Vibrationen kompensiert und so das Fahren mit niedrigen Motordrehzahlen unterstützt. Der Motor wird mit 116, 143 und
184 PS angeboten und verbraucht dabei 4,3/4,4/4,5 Liter im Norm-Mittel, das sind zwei Zehntel weniger als die bisherigen
Varianten. Apropos EDE: Eine solche Variante ist auch vom 116d geplant. Sie wird erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt
und soll dann mit 3,8 Liter Verbrauch auskommen - das Niveau der aktuell besten Modelle von Audi, VW und Volvo.
Alle Varianten verfügen über ein manuelles Sechsganggetriebe. Während ein Doppelkupplungsgetriebe nach wie vor nicht
offeriert wird, können Kunden in allen Varianten aber ein anderes Schmankerl wählen: nämlich die aus den großen Modellen
bekannte Achtgang-Automatik mit dem Wählhebel im Joystick-Design. Sie steht auch als "Sport"-Variante mit schnelleren
Schaltvorgängen und serienmäßigen Schaltpaddles am Lenkrad zur Verfügung.
Sport ist überhaupt und nach wie vor ein bestimmendes Thema bei BMW. So verfügen alle 1er serienmäßig über einen sogenannten
Fahrerlebnisschalter auf der Mittelkonsole, der eine individuelle Fahrzeugabstimmung ermöglicht. Die Elektronik beeinflusst
Motorcharakteristik und ESP sowie bei Wahl der entsprechenden Optionen auch die Servotronic und die Schaltdynamik des
Automatikgetriebes, nicht aber die Dämpfung. Zur Wahl stehen die Modi Komfort, Sport und "ECO PRO" - und auch "Sport+",
wenn entweder die "Sport"-Automatik, die "Sport"-Lenkung oder die "Sport Line" an Bord sind.
Sport Line? Das ist der Name einer Design- und Ausstattungslinie. BMW verzichtet fortan wie die Mitbewerber auf den feinen
Luxus und das Understatement, auf derartige Niveaus zu verzichten. Immerhin gibt es derer nur zwei, die andere nennt sich
"Urban Line". Sie sollen "wirkungsvoll dazu beitragen, die dynamischen beziehungsweise progressiven Facetten besonders
hervorzuheben", wie sich die PR-Mannen ausdrücken. Mittel zum Zweck ist eine Differenzierung in Design-Details, betreffend
speziell Sitzbezüge, Instrumentierung, Applikationen, Einstiegsleisten, Aluräder, Fahrzeugschlüssel und dergleichen.
Die Sport Line setzt im Interieur auf rote Details und eine orange/weiß umschaltbare Ambientebeleuchtung, während außen
schwarze Kühlergrill-Stäbe und Blenden dominieren. Die Urban Line bietet u.a. Stoff-/Ledersitze, Acrylglas-Interieurleisten,
eine erweiterte Innenbeleuchtung umschaltbar von orange auf LED-blau sowie weiße Stäbe und Blenden.
Die jeweilig gewählte Linie ist dabei nicht nur an diesen Details erkennbar, sondern auch an einem entsprechenden Schildchen
an den vorderen Kotflügeln, wie es einer Premium-Marke eigentlich ebenfalls unwürdig ist. Immerhin kommt es sich nicht mit
dem Seitenblinker in die Quere, denn den hat BMW erstmals in die Außenspiegel integriert - was man 13 Jahre nach der Erfindung
durch Mercedes eine Überraschung nennen darf, verfügt doch nicht einmal der neue 5er über dieses Merkmal. Die Außenspiegel
sind in Wagenfarbe oder optional schwarz (Sport Line) oder weiß (Urban Line) lackiert.
Das Design dagegen ist keine Überraschung. BMW setzt insoweit auf Evolution statt Revolution - für letzteres sind die kommenden
i-Modelle zuständig. Erwartungsgemäß verfügt der neue 1er nicht mehr über die oft mit einem Hängebauchschwein assoziierte Gestaltung
der Türunterkanten respektive Schweller und über stärker designorientierte, weiterhin einteilige Heckleuchten. Die Front, speziell
die Schweinwerfer, wirken dagegen jedenfalls auf den ersten Bildern etwas uninspiriert. Weitere Erkennungszeichen sind die
stärker herausgearbeitete seitliche Sicke, die nun direkt durch die schräg gestellten Türgriffe führt, der etwas feinere, aber
immer noch nicht wirklich schöne Heckwischer, die Heckklappe mit einer statt zwei Kanten, die bündig versenkten Schweinwerfer-Waschdüsen
und der überfällige Verzicht auf die Griffmulde am Tankdeckel.
Noch ein Blick auf Technik und Ausstattung: Die Klimaanlage ist jetzt endlich modellübergreifend Serie, ebenso ein CD-Radio und
der schlüssellose Motorstart per Knopf. Der schlüssellose Zugang kostet ebenso Aufpreis wie Nebelscheinwerfer (bei Xenon mit
Abbiegelicht), Klimaautomatik, Licht- und Regensensor oder Multifunktionslenkrad. Modelle, die mit Navigation oder dem
"Professional"-Radio ausgerüstet sind, verfügen über einen 6,5 oder 8 Zoll großen, feststehenden Monitor im Flatscreen-Design
und werden via BMW iDrive, also mit dem Controller auf der Mittelkonsole, bedient.
Es bleibt bei einer manuellen Handbremse. Neu im Angebot sind die Geschwindigkeitsregelung mit Bremsfunktion,
die um Überholverbote erweiterte Verkehrszeichenerkennung, die sich im Marketing-Sprech ganz gegensätzlich zum
"Fahrerlebnisschalter" tatsächlich "Speed Limit Info mit No Passing Info" nennt, eine Spurverlassenswarnung mit
Auffahrwarnung, Rückfahrkamera und erstmals auch der halbautomatische Einparkassistent, die man ihn von VW kennt.
BMW verzichtet allerdings auf eine Ausparkfunktion und auf die Unterstützung von Querlücken.
Der neue 1er wird voraussichtlich erstmals auf der IAA im September in natura zu sehen sein. Angaben zur Markteinführung
und zu Preisen macht BMW noch nicht, letztere dürften aber steigen: Mindestens 24.400 Euro für einen "nackten" 116i
scheinen realistisch. Man darf gespannt sein, wie sich der 1er im Wettbewerbsumfeld schlagen wird. Das ist hartumkämpft
und wird im kommenden Jahr erstmals auch von Mercedes vergleichbar besetzt. BMW trägt also schon einmal dick auf und tönt,
der Neue verfüge im Kompaktsegment über eine "einzigartige Designqualität", die "hochwertigste Fahrwerkstechnik", eine
"einzigartige Vielfalt im Angebot der Fahrerassistenzsysteme und Mobilitätsdienste", einen "Effizienz-Vorsprung",
natürlich eine "einzigartige Fahrfreude" - und so weiter.