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Freitag, 29. März 2024
Versicherer entwickeln Unfallmeldedienst / Schadenmanagement als Hintergrund

Automatischer Notruf: Neues System zur einfachen Nachrüstung

Ein automatisches Notrufsystem im Auto ist seit Jahren im Gespräch – und ganz überwiegend noch immer kein Standard. Doch die vielleicht lebensrettende Technik lässt sich auch nachrüsten, zeigt ein neues System der Versicherer. Ganz uneigennützig haben sie es nicht entwickelt.
Automatischer Notruf: Neues System zur einfachen Nachrüstung
GDV
Der Unfallstecker der Kfz-Versicherer
erkennt und klassifiziert Unfälle und organisiert ggf. Hilfe
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Die deutsche Versicherungswirtschaft hat ein automatisches Notruf-System entwickelt, das in nahezu allen Autos eingesetzt werden kann – in Neuwagen ebenso wie in Gebrauchtwagen. Das "Unfallmeldedienst" genannte System erkennt eine Kollision und meldet den Unfall automatisch an eine Notrufzentrale.

Kernstück des Notruf-Systems ist ein Stecker für die 12-Volt-Buchse im Auto. Beschleunigungssensoren im Stecker erkennen eine Kollision und die Stärke des Aufpralls. Registriert der Unfallmeldestecker einen Unfall, sendet er diese Information via Bluetooth an eine zugehörige App auf dem Smartphone des Autofahrers. Sofern dieses beim Unfall betriebsbereit geblieben ist und über eine Datenverbindung verfügt, meldet die App den Unfall, die aktuelle Position des Fahrers und die letzte Fahrtrichtung an die Notrufzentrale der Versicherer. Gleichzeitig wird eine Sprechverbindung hergestellt. Im Fall eines schweren Unfalls leitet die Notrufzentrale sofort Rettungsmaßnahmen ein.

Für den Unfallmeldedienst haben die Versicherer mit Bosch (Hardware) und IBM (App, Infrastruktur) zusammengearbeitet. Technisch betrieben wird der Unfallmeldedienst von der GDV Dienstleistungs-GmbH & Co. KG (GDV DL), Anbieter des neuen Dienstes sind die teilnehmenden Kfz-Versicherer. Interessierte Versicherungskunden können den Stecker und die App ab 4. April 2016 direkt bei ihrer Versicherung erhalten, die auch den Preis festlegt. Als Größenordnung gehen wir von höchstens 30 Euro aus.

Der Verkauf des Steckers ist aber nicht das Geschäftsmodell der Versicherer, auch ist seine Entwicklung und Vermarktung keine humanitäre Geste. Der Branche geht es vor allem darum, Kunden nach einem Unfall als erstes zu erreichen und zielgerichtet das sogenannte Schadenmanagement zum eigenen Vorteil betreiben zu können. Der Unfallmeldedienst ist denn auch ein klarer Gegenpol zum ab 2018 verpflichtenden eCall-Dienst in Neuwagen.

Die Branche beeilt sich unterdessen zu versichern, dass das System keine Bewegungsprofile erstellt, die Fahrweise nicht auswertet und seine Daten ausschließlich über die App im Falles eines Unfalls oder bei manueller Anforderung sendet. Dass dies auch tatsächlich so ist, müssen Anwender zunächst einmal glauben. In jedem Fall böte der Stecker über eine andere App sicher eine solche Möglichkeit, die die Versicherer zu einem späteren Zeitpunkt etwa mit Tarifnachlässen anbieten könnten.

Die Unfallmelde-App gibt es für Android-Smartphones (ab Version 2.3.4) und für iPhones (ab Modell 5 und iOS 8). Die Datenübertragung zwischen Unfallmeldestecker und Handy funktioniert über eine Bluetooth-Verbindung. Der Unfallmeldestecker belegt den Zigarettenanzünder nicht komplett, sondern bietet einen integrierten USB-Anschluss. Eine (billig-wirkend grüne) LED signalisiert, dass Stecker und App betriebsbereit und gekoppelt sind.

Zur Markteinführung stehen den teilnehmenden Kfz-Versicherern rund eine halbe Million Unfallmeldestecker zur Verfügung. Welche Gesellschaften teilnehmen, wurde nicht verlautbart.
text  Hanno S. Ritter
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