Mercedes mit aufregender Elektro-Studie in Pebble Beach
Sechs in seiner schönsten Form: Vision Mercedes-Maybach 6
Mercedes verdreht den Besuchern in Pebble Beach die Augen mit einer atemberaubenden Sportwagen-Studie unter dem Maybach-Label.
Das schlicht "6" genannte Luxus-Coupé versprüht Sex-Appeal in hohen Dosen, dürfte aber ein Einzelstück bleiben.
Daimler
Klare Begehrlichkeit:
Vision Mercedes-Maybach 6
Wenn Mercedes eine Messe-Studie mit dem Namenszusatz Vision versieht, war dies früher immer ein Fingerzeig: Wer Visionen hat,
soll nicht zum Arzt gehen, sondern wird sie in Serie bringen. Dieses System gilt aber nicht mehr, fast schon könnte man sagen,
es ist inzwischen umgekehrt. So heißt die neueste Studie der Stuttgarter auch "Vision", aber so wie sie nicht für eine echte
Messe gemacht ist, wird sie auch keine reale Zukunft haben.
Die Schönen und vor allem Reichen dieser Welt werden es sicher bedauern, denn die Vision Mercedes-Maybach 6 ist ein Hingucker
par excellence. Rot metallisch schimmernd zieht sich das Blech über 5,70 lange Meter vom steilen, mächtigen Kühlergrill über
die ewig lange Motorhaube und das weit nach hinten versetzte, 1,33 Meter niedrige Greenhouse bis in ein tief abfallendes Heck,
das mit seiner durch eine scharfe Finne zweigeteilten Mini-Scheibe ebenfalls ungewohnte Akzente setzt.
So bullig und gleichzeitig elegant wie das Showcar auf seinen mächtigen 24-Zöllern steht, mit seinem deutlichen, aber doch nicht
protzig wirkenden Chromschmuck auf den Flanken im Scheinwerferlicht funkelt, so wirksam es mit seinen Flügeltüren an die Historie
anknüpft, so gelungen schaffen es Studien selten, als Träume weckender Botschafter für ihre Marke zu agieren. Auch solche von
Mercedes nicht, darf man hinzufügen: Die AMG Vision Gran Turismo von 2013 etwa ist nicht halb so begehrlich wie der "6".
Von AMG ist der 6 befreit, er darf - oder muss - den traditionsreichen und in den letzten Jahren nicht immer gut behandelten Namen
der einstigen stolzen Marke Maybach tragen, die inzwischen vom erfolglosen Luxus-Label des Konzerns zur ehrlicheren Submarke von Mercedes
degradiert wurde. Unausgesprochen ist die Botschaft: Das muss nicht immer so bleiben, wir können auch noch edler als ein S-Maybach.
Auch das Interieur ist ein Hingucker. Wie ein leichter Flügel schwingt sich die Instrumententafel über die Türverkleidung in die
Sitzlandschaft und erzeugt eine 360°-Lounge. Eine besondere Finesse ist die neuartige "Inside-Out"-Flächenbehandlung. So bildet
die Sitzfläche eine Horizontale, die in die Vertikale der Türen übergeht und schließlich zur Unterseite des Flügels der Instrumententafel
wird. In Türen und Instrumententafel weicht das traditionelle Zierteil aus Holz den digitalen Bedien- und Anzeigeoberflächen, die
Windschutzscheibe ist in voller Breite als Head-Up-Display ausgeführt. Der Boden ist aus Holz gefertigt, in den Sitzen sind
Body-Sensor-Displays eingenäht, die die Passagiere scannen, Komfortfunktionen wie Sitzklimatisierung oder Massage aktivieren und
ihre Vitalfunktionen überwachen.
Eine Ansage ist auch der Antrieb. Weil fette Acht- oder Zwölfzylindermotoren nicht mehr angesagt sind, kommt der "6" mit einer
Elektro-Maschine, eigentlich mit derer vieren: An jedem Rad sorgt ein Permanentmagnet-Synchron-Elektromotor für Vortrieb, für die
Emotionen steht mangels Verbrenner-Sound, Zylinderzahl, Hubraumgröße, Turbozahl und Getriebetechnik nur die schiere Systemleistung
von 750 PS. Der Unterflur-Akku hat eine Kapazität von 80 kWh, das reicht für 500 Kilometer Aktionsradius im Normzyklus - wenn also
die Höchstgeschwindigkeit von abgeregelten 250 km/h ebenso wenig ausgenutzt wird wie die Möglichkeit, die Fuhre in unter vier
Sekunden aufs Bundesstraßen-Tempo zu katapultieren. "Getankt" wird per Kabel oder wireless über Induktion - letzteres eine Technik,
die auch in der Serie vor dem Einsatz steht.
Auch Details wie das offenporige, helle Bodenholz "Rüster" (Ulme) wollen die Stuttgarter in die Serie überführen, der "6" an sich
ist aber ein reines Showcar, das "weit in die Zukunft blickt". Manchmal ist der Gedanke an Sex mit einer "Lady in Red" eben noch
schöner als echter - aber weil das nur manchmal so ist, schieben wir angesichts der bevorstehenden Fahrt des feinen Wagens in die
Daimler-Katakomben noch ein Wortspiel in Richtung Mercedes nach: Sechs, setzen!