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Donnerstag, 25. April 2024
Fahrbericht für Hybrid- und Elektro-Variante

Unterwegs im Hyundai Ioniq: Die etwas andere Alternative

In gleich drei alternativen Antriebsvarianten kommt der Hyundai Ioniq. Die Hybrid- und die Elektro-Variante standen für uns zur Ausfahrt bereit: Während der Hybrid weder Fisch noch Fleisch ist, ist man mit dem E-Auto angenehm unterwegs. Mehr als einen vergleichsweise teuren Zweitwagen kann er aber aktuell zumeist noch nicht darstellen.
Hyundai
Mit Elektro- oder Hybridantrieb
gibt es den Hyundai Ioniq
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Ioniq, sprich Aionnik. Klingt schon mal gut: Hyundai hat zum stromtechnischen Begriff Ion noch ein unique, einzigartig, hinzugefügt, das ganze mit dem in der Branche beliebten Q (Audi, Škoda, Infiniti) abgeschmeckt und auf sein individuellstes Auto geklebt. Von dem haben Sie vielleicht noch nie gehört, was einerseits daran liegen mag, dass wir darüber letztes Jahr bei der Premiere nicht berichtet haben, anderseits aber auch, weil die Koreaner um den Wagen sympathischerweise nicht halb so viel Bohei machen wie andere um ein Facelift.

Denn zu erzählen gäbe es für die PR-Mannen viel, kommt das Auto doch gleich in drei Versionen und zusätzlich zum bewährt-beliebten i30 gleicher Größenordnung: Ioniq Nummer 1 setzt auf einen Hybrid-Antrieb, Nummer 2 ist ein Plug-in-Hybrid (PHEV), und Nummer 3 fährt vollkommen elektrisch. Während das PHEV noch etwas auf sich warten lässt, stehen die beiden anderen Modelle jetzt in den Autohäusern und im Konfigurator bereit - und für uns zur Ausfahrt.

Los geht es im Hybrid-Modell. Zunächst wähnt sich der Autor plötzlich im 123er- oder 124er-Mercedes, von dem er einst so viele Exemplare und heute leider nur noch eines hat: Hyundai verbaut im Jahr 2017 tatsächlich eine fußbetätigte Handbremse. Was damals im Benz nie störte, wirkt im modernen Wagen völlig deplatziert: Die Lösung ist unpraktisch, weil sie keine Komfortfunktionen wie automatisches Lösen bietet. Sie ist hässlich, weil das Pedal auch noch beschriftet ("push to release") ist. Sie erschwert ein spontanes Ausleihen des Wagens ("Was ist denn das?!?!"). Und sie ist unsicher, weil sie auch nur halb angezogen werden kann und im Notfall nicht vom Beifahrer bedient werden kann.

Dass man E-Autos nicht konventionell anlässt, sondern nur einen Knopf drückt, auf dass ein Lämpchen Betriebsbereitschaft signalisiert, ist auch im x-ten gefahrenen Elektroauto ungewohnt-schaurig. Der Ioniq setzt sich lautlos im elektrischen Modus in Bewegung und hält diesen auch eine Weile bei, bis entweder die Kapazität des Akkus zu weit absinkt oder der Fahrer zu viel Leistung anfordert. Beides passiert, fährt man nicht bewusst außerordentlich sparsam, recht häufig. Kein Wunder, der Akku weist gerade einmal 1,56 kWh Kapazität auf, was im Großstadtverkehr schon nach einem Dutzend Straßenzügen aufgezehrt sein kann.

Dann schaltet die Elektronik blitzschnell den Verbrenner zu. Das funktioniert nicht völlig unmerklich, aber doch reibungslos und harmonisch. Der Benziner ist ein konventioneller Vierzylinder, der aus 1,6 Litern Hubraum 105 PS leistet, dank Atkinson-Konzept einen hohen Wirkungsgrad aufweist, seiner Arbeit aber auch recht laut und etwas unwillig nachgeht - kein Vergleich etwa mit den harmonischen TSI-Aggregaten der VW-Welt. Die Systemleistung mit E-Motor liegt bei 141 PS. Anders als beim Toyota Prius gelangt die Kraft via 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe an die Räder, so dass sich - viel angenehmer als im Prius - ein gewohntes Fahrgefühl einstellt. 3,4 Liter lautet der Normverbrauch mit mickrigen 15-Zoll-Rädern, der aber bei solchen Autos bekanntlich noch realitätsferner ist als bei konventionellen. 100 Prozent Zuschlag sollte man einkalkulieren.

Am Ende bleibt ein fahler Beigeschmack: Ein doppeltes Antriebssystem dieser Konstellation erscheint mehr schwer und aufwändig denn zukunftsfähig. Man bräuchte entweder eine nur teilweise, günstigere Elektrifizierung (48-Solt-System), einen größeren Akku mit externer Aufladbarkeit (das kommt mit dem PHEV) oder einen kleineren Motor, der hocheffizient nur der Stromerzeugung dient. Doch dieses als Range Extender bekannte Konzept wird in der Branche so gut wie nicht mehr verfolgt.

Lohnt der Hybrid dann? Im Zweifel nein, das Konzept bietet letztlich zu wenig Vorteile für den hohen Aufwand, der auch bezahlt sein will. 23.900 Euro ist für sich genommen heutzutage nicht viel Geld für ein Auto, doch wer mit dem Hyundai i30 vergleicht, der ab 17.450 Euro verkauft wird, wird den Hybrid-Aufwand nachvollziehbar hinterfragen.
Deutlich mehr Spaß mit reinem Elektroantrieb
Auf zur zweiten Runde im vollständig elektrischen Ioniq. Wenn schon, denn schon, denkt man schon auf den ersten Kilometern im Münchner Großstadt-Verkehr: So muss sich das anfühlen - immer leise, dabei ausreichend zügig und auf eine schwer beschreibbare Art und Weise modern. Wenn man nicht mehr mit der Hand Wäsche wäscht, nicht mehr auf offener Flamme kocht und der ganze Alltag von strombetriebenen Geräten bestimmt wird - warum fährt man dann eigentlich noch ein Auto althergebrachter Art mit einer Explosionsmaschine unter der Haube?

Die Gedanken schweifen so schnell ab, weil der Ioniq so problemlos ist - in der Bedienung, im Fahren, in der Straßenlage -, und man vergisst fast, sich die Nachteile des E-Antriebs zu vergegenwärtigen, als da wäre die noch nicht vollständig grüne Stromherkunft, der problematische Rohstoffbedarf (Stichwort seltene Erden), die nach wie kaum vorhandene öffentliche Lade-Infrastruktur und die Langweiligkeit des Fahrens aufgrund des Fehlens jeglicher Emotion.

Letzteres allerdings, so weltoffen muss man sein, ist vor allem das Problem von Motorjournalisten und anderen echten Auto-Freaks, also von geschätzt weniger als zehn Prozent der Fahrer. So wie BMW einst erklärte, der durchschnittliche 1er-Fahrer wisse gar nicht, welche Achse angetrieben werde, interessieren sich die meisten Menschen eben vor allem darum, wie das Auto aussieht, was es kostet und ob die Freisprechanlage funktioniert (sie tut es). Wie die Maschine klingt und welches Konzept (Zylinderzahl, Aufladung, Bauart) sie hat, wie gut die Gänge flutschen, wie das Auto am Gas hängt, wie schnell es anspringt, wie das Start-Stopp-System funktioniert - im Elektrowagen alles kein Thema mehr.

Zurück zum Produkt: Der E-Motor leistet 88 kW, das entspricht 120 PS und ist damit weniger stark als alles, was die Konkurrenz zu bieten hat. Das Drehmoment liegt bei 295 Newtonmetern. Schnell ist der Ioniq damit nicht: Bestenfalls geht es in 9,9 Sekunden auf Tempo 100, bei 165 km/h ist Schluss. Subjektiv allerdings kommt jedenfalls im Bereich bis 100 km/h kaum das Gefühl von Untermotorisierung auf, die Elektrocharakteristik mit ihrem konstant und verzögerungsfrei abrufbarem Drehmoment gefällt. Auch beschleunigt der elektrische Ioniq schneller als die nominell stärkere Hybrid-Variante, die allerdings 185 km/h Endgeschwindigkeit schafft.

Die 28-kWh-Batterie ist für 280 Kilometer Reichweite gut, womit sich der i30 - nimmt man den neuen Opel Ampera-e einmal aus - unter seinesgleichen gut behauptet. In der Praxis sollte man, jedenfalls wenn man nicht besonders sparsam fährt und auf Sitzheizung oder Klimatisierung verzichtet, mit maximal zwei Drittel dessen kalkulieren. Für Urlaubsfahrten oder den Besuch bei den entfernt wohnenden Schwiegereltern ist der Ioniq damit unbrauchbar, für das tägliche Pendeln zur Arbeit, zum Einkaufen und zum Kindergarten dagegen für die Mehrheit klar ausreichend. Anders formuliert: Der Ioniq in der aktuellen Konfiguration dürfte sich in den meisten Konstellationen nur als Zweitwagen empfehlen.

Der Fahreindruck ist gut, nicht nur wegen des geringen Geräuschniveaus, sondern auch, weil die Lenkung präzise, die Federung effektiv und die Bremsen wirkungsvoll sind. Dank niedrigen Scherpunkts durch die unterflur mittig verbauten Akkus geht der Ioniq ums Eck fast wie auf Schienen, lediglich der Geradeauslauf vermag nicht vollends zu überzeugen.

Einen Rest dessen, was man aus althergebrachten Autos kennt, ermöglichen die Paddles am Lenkrad: Natürlich werden hier nicht die Gänge gewechselt wie im Hybrid-Ioniq, vielmehr kann damit die Rekuperationstufe, also die Bremswirkung des Motors im Schubbetrieb, in vier Stufen gewählt werden. Das gefällt wesentlich besser als die starren oder tief in Menüstrukturen variierbaren Systeme in anderen Elektroautos.

Optisch zeigt der Ioniq seinen Sonderstatus durch ein auffälliges Design, ohne dabei so auffällig zu werden wie ein BMW i3 oder so merkwürdig wie ein Nissan Leaf. Wesentliche Merkmale sind der Verzicht auf einen klassischen Kühlergrill, das vertikale Tagfahrlicht, farbige Akzente auf Applikationen wie Schutzleisten und nicht zuletzt die zweigeteilte Heckscheibe, die die Sicht nach hinten erheblich erschwert.

Das Interieur ist ansprechend gestaltet, überwiegend funktional, mit dem großen digitalen Kombiinstrument den Eindruck des fahrenden Smartphones unterstreichend, und auch in vielen Details gut gestaltet, ohne freilich an die Wertigkeit eines VW e-Golf heranzukommen. Anders als im Hybrid-Modell verbaut Hyundai im vollelektrischen Ioniq auch eine elektrisch betätigte Handbremse. Sitze und Sitzposition sind gut, das Raumgefühl erinnert mehr an einen perfekt sitzenden Maßanzug als an die legere Jogginghose. Auf der Rückbank geht es noch beengter zu, und der Kofferraum ist mit 350 Litern Volumen ebenfalls eher klein ausgefallen und überdies mit einer hohen Ladestufe versehen.

Der acht Zoll große, zentrale Monitor des Multimediasystems bietet ein scharfes Bild, das Navigationssystem erfreut mit seiner Serienmäßigkeit, weniger aber mit der zuverlässigen Routenberechnung: Wer es wagt, die vorgeschlagene Route in der Münchner Innenstadt zu verlassen, bringt das System nicht nur kurzzeitig, sondern für mehrere Minuten aus dem Konzept.

In Sachen Ausstattung gibt sich Hyundai generös, wobei die E-Variante nochmals besser ausstaffiert ist als das Hybrid-Modell. Schon in der Basisversion gibt es das erwähnte 8-Zoll-Navigationssystem, Klimaautomatik (im E-Modell nur als 1-Zonen-System), Rückfahrkamera und das digitale Kombiinstrument (7 Zoll). Der Testwagen verwöhnt natürlich mit der Ausstattung des Topmodells. Neben belüft- und beheizbaren Ledersitzen mit elektrischer Verstellung inklusive Memory-Funktion und Komfortausstieg auf der Fahrerseite gehören hier auch LED-Scheinwerfer und -Rückleuchten, Keyfree-System, kabelloser Handy-Ladeplatz, anklappbare Außenspiegel, Alarmanlage, beheizbares Lenkrad und Sitzheizung hinten zum Standard.

Zudem ist fast die ganze Schar moderner Assistenten verbaut: der Ioniq warnt vor Querverkehr beim Ausparken und vor Objekten im Toten Winkel, hält selbst - überraschend souverän - die Spur und den Abstand und bremst im Notfall alleine. Auch Verkehrszeichen werden erkannt, nur das halbautomatische Parken fehlt überraschenderweise. Dafür senkst sich beim Rückwärtsfahren nicht nur der rechte, sondern auch der linke Außenspiegel leicht ab - was man zunächst für eine Fehlfunktion halten mag, entpuppt sich schnell als durchaus sinnvolles Detail.

Enttäuschend ist dagegen das kleine Räderformat (16 Zoll) und das Minimal-Angebot an Optionen: Wer etwas Anderes als Metalliclack oder Schiebedach möchte, ist beim Ioniq definitiv an der falschen Adresse.

Bleibt der Blick in die Preisliste, und der ist aufschlussreich. Einerseits, weil der E-Ioniq ab 33.300 Euro zu haben ist und damit 2.600 Euro günstiger als der etwas stärkere, aber schlechter ausgestattete e-Golf. Andererseits, weil der E-Ioniq damit mal eben 13.600 Euro teurer ist als ein i30 mit 120 PS, und immer noch rund 7.000 Euro teurer als ein i30 Diesel mit 7-Gang-Doppelkupplung. Auch wenn die 5-Jahres-Garantie, für den Akku sogar acht Jahre oder 200.000 Kilometer, Vertrauen schafft: Sich vor diesem Hintergrund für den Ioniq zu entscheiden, dürfte nur jenen gelingen, die aus Überzeugung oder Image-Kalkül unbedingt das E auf dem Nummernschild haben möchten.

4.000 Euro Elektro-Bonus kann man derzeit abziehen, dennoch: So wie Hyundai längst nicht mehr billig in Qualität, Design oder anderen Kriterien ist, so sind auch die Autos nicht mehr billig. Im Übrigen: Der Ioniq mit Elektroantrieb ist ein angenehmes und sympathisch unaufgeregtes Auto, kurz: Ioniq klingt gut, fährt gut.
text  Hanno S. Ritter
IM KONTEXT: DER BLICK INS WEB
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