Jaguar I-PACE: Elektrischer Schlag für deutsche Hersteller
Audi, BMW, Mercedes, VW bitte genau hinsehen: Zwei Jahre nach der Vorläufer-Studie hat Jaguar den I-PACE enthüllt – und setzt
ein Ausrufezeichen im Elektro-Bereich. Das SUV ist ebenso ansehnlich wie schnell, darüber hinaus einigermaßen ausdauernd und nicht
zuletzt: ab sofort verfügbar.
Jaguar
Erstes Elektro-SUV jenseits von Tesla: Jaguar bringt den I-PACE in Serie
ANZEIGE
Darüber, ob die deutschen Autobauer das Thema Elektromobilität verschlafen haben, wie unisono zu hören ist, kann man lange diskutieren. Und darüber,
ob ein Elektroauto wirklich so toll und zukunftsgewandt ist wie allenthalben vermittelt, auch. Wir würden weder das eine noch das andere bejahen, auch
wenn zumindest bei ersterer Fragestellung Zweifel nicht ausbleiben, wenn man sich anschaut, was die anderen Hersteller können.
Und damit Vorhang auf für den Jaguar I-PACE. Das bereits dritte SUV der britisch-indischen Marke ist ein vollelektrisches - und zwar eines, das
es faustdick hinter den Ohren respektive seiner Alu-Karosserie hat. Faustdick, weil Jaguar nicht an der Leistung spart: Gleich zwei Elektromotoren
aus eigener Entwicklung treiben das Auto voran, und weil sie 400 PS stark sind, tun sie das (von Null auf Hundert) in 4,8 Sekunden. Faustdick auch,
weil je ein Motor eine Achse antreibt und damit Allradantrieb stets vorhanden ist. Faustdick nicht zuletzt, weil der Akku satte 90 kWh Kapazität
aufweist und so für 480 Kilometer Reichweite nach der neuen WLTP-Norm gut ist.
Einen Realwert für die Reichweite nennt Jaguar nicht. 350 Kilometer sollten machbar sein, jedenfalls dann, wenn es nicht so kalt ist wie dieser Tage.
An einer Schnellladestation lässt sich die Batterie in 40 Minuten von null auf 80 Prozent laden. Der Akkusatz ist zwischen den Achsen unterflur montiert
und ermöglicht eine 50:50-Gewichtsverteilung.
Die Karosserie ist ebenso ansehnlich wie überwiegend unspektakulär gezeichnet. Es handelt sich um das sog. Cab-forward-Design mit kurzer "Motorhaube".
Auffällig sind im Übrigen lediglich die plan in die Karosserie eingelassenen Türgriffe à la Land Rover Velar, die Ladebuchse vorne links im Radhaus, die
flache Heckscheibe mit überdimensionalem Dachspoiler und der kantige Heckabschluss, der laut Jaguar einem guten Luftwiderstandswert dient. Tatsächlich
sind die erreichten 0,29 aber keineswegs besonders, ein Tesla Model X oder der neue Audi A6 schaffen 0,24.
Im Interieur gibt es volldigitale Instrumente und das sog. Touch Pro Duo Infotainment System, bestehend aus zwei übereinander angeordneten Touchscreens.
Ins Auge fallen zudem filigrane Integralsitze, das - leider feststehende - Panorama-Glasdach, die nicht höhenverstellbaren Gurte und viel Stauraum
dank nicht vorhandenem Kardantunnel. Der Kofferraum fasst 656 bis 1.453 Liter - mehr als im Mercedes GLC. Anstelle von Leder liefert Jaguar auf Wunsch
auch eine vegane Alternative.
"Während andere Hersteller über die Zukunft sprechen, bauen wir sie. Für das neue Mitglied der Pace-Familie, den rein elektrischen Jaguar I-PACE, haben
wir das Lastenheft völlig neu geschrieben. Ohne Emissionen, ohne CO2 und Partikel kommen wir unserer Vision einer sauberen, sicheren und nachhaltigen
Zukunft dramatisch näher", lässt sich Dr. Ralf Speth, CEO Jaguar Land Rover, zitieren. Auch darüber mag man diskutieren, aber dass ein solches Auto
von der vergleichsweisen kleinen Firma Jaguar realisiert werden kann, während VW/Audi, BMW und Mercedes nur auf später verweisen können, ist schon bemerkenswert.
Alles top also am E-Jag? Wenn Sie Motorsound lieben, gerne über Hubraum und Zylinderanzahl und Turbolader und Getriebetechniken sprechen, nein. Wenn Sie
gerne zumindest über Lenkradwippen schalten und einen Unterschied zwischen "Motor an" und "Motor aus" mögen, auch nein. Wenn Sie weite Strecken fahren
wollen oder müssen und schnell tanken möchten, erst recht nein. Wenn Sie ins Gelände wollen oder Laternenparker sind, sowieso nicht. Und - mutmaßlich - wenn
Sie Wert auf eine gute Heizung legen: noch einmal nein.
Wer aber das leise, kraftvoll-lineare und jedenfalls lokal emissionsfreie Fahren mag und sowieso nicht versteht, warum das Auto eines der letzten Dinge
ist, das noch nicht mit Strom funktioniert, könnte den i-PACE mehr als nur mögen: Nicht so überzeichnet wie ein i3, nicht so klein wie ein Zoe, nicht
so lahm wie ein Ioniq, nicht so polarisierend wie ein Tesla. Vom Band läuft der I-PACE wie der konventionelle E-PACE bei Magna Steyr in Österreich, und
das darf erfahrungsgemäß mit guter Qualität in Verbindung gebracht werden.
Objektiv nicht so gut gefällt uns die Garantie auf den Akku (70% der ursprünglichen Leistung), die auf 160.000 Kilometer oder acht Jahre
begrenzt ist. Und natürlich ist der I-PACE kein Schnäppchen, sondern mit 77.850 Euro Basispreis kein Thema für die allermeisten Familien,
selbst bei wohlwollender Berücksichtigung der zehnjährigen Steuerfreiheit und der niedrigeren Wartungskosten. Richtig gelesen: Nicht nur
der Preis steht fest, vielmehr ist der I-PACE bereits am Tag 1 nach seiner Weltpremiere konfigurier- und bestellbar. Diese Vorreiterrolle
können die deutschen Premium-Autobauer abhaken, das E-Auto ist abgefahren. – Chapeau, Jaguar!