Crafter-Schwestermodell TGE macht das Rennen als Wohnmobil-Basis
VW eine Nase gedreht: Knaus Tabbert baut auf MAN
In der Klasse kleiner Reisemobile hat MAN bislang kaum eine Rolle gespielt. Es waren eher die Luxusliner mit 7,5 und mehr Tonnen
Gesamtgewicht samt luftgefedertem Reisebus-Chassis, die das High-End-Segment dominierten. Das kann sich ändern. Den Grund dafür
liefert eine andere Tochtermarke des VW-Konzerns.
ampnet/MAN
VW wird ein Crafter-Wohnmobil wohl hauptsächlich in Eigenregie
vermarkten, Aufbauhersteller setzen eher auf das Schwestermodell von MAN
Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN), die mit dem klassischen T6 und dem hauseigenen Camper California zu immer neuen Verkaufsrekorden eilen,
zeigen sich offensichtlich nicht sonderlich kooperativ, wenn andere Wohnmobilbauer die Basisfahrzeuge der Hannoveraner als rollenden
Untersatz ihrer Interpretationen hernehmen möchten. Von "schwierigen Verhandlungen" ist immer wieder die Rede, strenge Auflagen für
den Ausbau stellen zudem hohe Hürden auf.
Doch nun beißt sich die Konzern-Katze selbst in den Schwanz, denn das jüngste Produkt von VWN, der Crafter, kommt über das
Schwesterunternehmen MAN als Transporter TGA nahezu baugleich auf den Markt. Und MAN wittert bereits seit der Campingmesse
CMT Anfang des Jahres Morgenluft im Wohnmobilmarkt, wo von der eigenen Ausbauabteilung BMC (Bus Modifikation Center), die
auch Reisebusse ausbaut, zwei TGE-Modelle im Expeditionsstil gezeigt wurden.
Die Sache nimmt Fahrt auf, denn Knaus, einer der größten und innovativsten Anbieter der Branche, hat wohl genug vom zähen Ringen um
den Crafter mit VWN und stellt dem Vernehmen nach ein neues Reisemobil im Kastenwagenformat auf den MAN TGE. Das soll gleich mit
einem ebenfalls neuen Service-Konzept antreten. Alle Wartungsarbeiten, auch die an der Inneneinrichtung, können von den MAN-Stützpunkten
übernommen werden, und das ergibt zusammen mit den bisherigen Knaus-Handelspartnern für den Kunden eine aufgrund kürzerer Wege
zur Service-Station interessante Perspektive.
Den TGE lässt MAN bei VW Nutzfahrzeuge in Polen fertigen, ein geänderter Kühlergrill und natürlich die Markenlogos stellen die
wesentlichen Unterschiede zum Crafter dar. Zwei Radstände sind im Angebot, 3,64 und 4,49 Meter. Knaus wird vermutlich den
kürzeren für den Prototypen wählen, der Ende Juni bei der Modellpräsentation gezeigt werden soll. Als Motorisierung dient
der Zweiliter-Vierzylinderdiesel mit 140 PS und 340 Newtonmeter Drehmomentspitze sowie die Variante mit 177 PS und 410 Nm
Drehmoment. Neben dem serienmäßigen Frontantrieb gibt es eine 4x4-Version im Programm, für die Kraftübertragung ist ein
manuelles Sechsganggetriebe zuständig. Eine Automatik mit acht Übersetzungsstufen wird als Option angeboten.
VWN wird die Schlappe verschmerzen, wenn sich Aus- und Aufbauer nun zunehmend für das Crafter-Schwestermodell von MAN interessieren
könnten. Der eigene Transporter verkauft sich gut, und auch für ihn planen die Nutzfahrzeugbauer aus Hannover – ähnlich wie beim T6
– eine Reisemobil-Version aus eigener Fertigung. Die gab es bereits für den verblichenen VW LT unter dem Namen Florida. An die
Erfolge des Dauerbrenners California (auf T6) konnte der größere Campingbus jedoch nicht anknüpfen. Außerdem sind die Namensrechte
für die Modellbezeichnung Florida mittlerweile vom Reisemobilanbieter Westfalia geschützt. Unter eigener Flagge wird ein
Crafter-Mobil deshalb eher unter dem Titel California XXL segeln.
Der Urvater der VW-Reisemobile, der California, feiert gerade seinen 30. Geburtstag. Das erste Modell erschien nahezu baugleich mit dem
Westfalia Joker im Jahr 1988 auf Basis des T3 und war mit rund 40.000 Mark rund 10.000 Mark günstiger als dieser. Seitdem gibt es von
jeder Nachfolge-Generation des Bestsellers aus Hannover eine Campingbus-Version. Obwohl viele Fahrzeuge bei uns nicht als Reisemobil,
sondern als Personenwagen zugelassen werden und so nicht in der Camper-Statistik erscheinen, führt er mit etwa 15.000 gebauten
Einheiten im vergangenen Jahr die Verkaufs-Hitparade souverän an.