Gericht: Auf die Umstände kommt es an
Urteil: Schlüsseleinwurf in Werkstatt-Briefkasten nicht grob fahrlässig
Ein Autofahrer, der seinen Autoschlüssel im Briefkasten eines Kfz-Betriebes zurücklässt und dessen Fahrzeug danach gestohlen wird, muss
von seinem Kaskoversicherer voll entschädigt werden – vorausgesetzt, der Betreffende konnte davon ausgehen, dass der Briefkasten
ausreichend gesichert ist. Das geht aus einem aktuellen Urteil hervor.
Es ist praktisch: Man hinterlässt sein Auto am Abend vor einem Werkstatt-Termin bei der Kfz-Firma, wirft seinen Autoschlüssel in deren
Briefkasten. Doch dieses Vorgehen ist auch mit einem gewissen Risiko behaftet. Denn Autodiebe können den Schlüssel aus dem Briefkasten entwenden
und so ohne Probleme das Fahrzeug an sich bringen. Dann stellt sich die Frage, wer für den entstandenen Schaden aufzukommen hat.
So lag auch der vom Goslar-Institut für verbrauchergerechtes Versichern (Träger ist die HUK-Coburg) mitgeteilte Fall, den das LG Oldenburg
verhandeln musste. Ein Autobesitzer hinterließ gemäß Absprache mit dem Autohaus an einem Sonntagabend seinen Wagen auf dem Parkplatz der Firma
sowie seinen Fahrzeugschlüssel in deren Briefkasten. Für den darauffolgenden Montag hatte der Autofahrer einen Termin in der Werkstatt. Doch da
stand das Fahrzeug nicht mehr an dem Platz. Es war gestohlen. Daraufhin verlangte der Versicherte aus seinem Kaskoversicherungsvertrag heraus
Schadenersatz, die ihm jedoch von seinem Versicherer verweigert wurde mit der Begründung, der Versicherungsnehmer habe beim
Hinterlassen seines Autoschlüssels im Briefkasten grob fahrlässig gehandelt.
Dagegen wendet das LG Oldenburg ein, entgegen der Ansicht der Versicherung sei das Verhalten des Klägers in diesem Fall nicht als grob fahrlässig
anzusehen und begründe daher keine Leistungskürzung. Es sei zwar anerkannt, dass das Einwerfen eines Schlüssels in den Briefkasten eines Autohauses
den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit erfüllen könne, dieser Grundsatz gelte jedoch nicht ohne Weiteres. Entscheidend sind nach Einschätzung
des Gerichts die Umstände des jeweiligen Einzelfalles, sodass es also etwa darauf ankommt, ob ein in einen Briefkasten eingeworfener Schlüssel leicht
wieder herausgezogen werden kann und ob sonstige äußere Umstände den Verdacht aufkommen lassen müssen, der Schlüssel sei dort nicht sicher und
dem Zugriff Dritter leicht ausgesetzt.
Solche Umstände lägen jedoch in dem zu verhandelnden Fall nicht vor, argumentierte das Landgericht. Dabei bezieht es sich auf die konkreten Umstände, dass
nämlich der Briefkasten sich im direkten Eingangsbereich des Autohauses befinde. Dieser liege zurückgesetzt hinter den Schaufenstern der
Ausstellung und sei somit in das Gebäude hineingezogen, heißt es in der Urteilsbegründung. Aufgrund der beschriebenen Örtlichkeiten entstehe der Eindruck,
als befinde sich der Briefkasten in einem geschützten und zudem beleuchteten
Bereich,
beschreibt das Gericht weiter die örtlichen Gegebenheiten. Auch sehe der Briefkasten stabil aus und so tief, dass die oben in den Schlitz eingeworfenen
Teile weit nach unten fielen und man diese von außen nicht erreichen und herausholen könne.
Bei diesem äußeren Anschein und wegen anderer Gründe habe der Kläger keine Sorge haben müssen, dass der Schlüssel von Unbefugten aus dem Briefkasten
herausgenommen werden würde, befand das Gericht in der Entscheidung (- 13 O 688/20 -, rechtskräftig). Damit liege keine grobe Fahrlässigkeit vor,
die Versicherung müsse zahlen.