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Freitag, 19. April 2024
Fahrbericht / Das Golf-Niveau ist noch nicht erreicht

Unterwegs im Hyundai i30: Schön und gut

In Deutschland entwickelt, von einem Deutschen gezeichnet, in Europa gebaut: Mit dem neuen i30 will Hyundai ein größeres Wörtchen in der Kompaktklasse mitreden als bisher. Ob das gelungen ist, klärt der Fahrbericht.
Autokiste
Im Design nimmt sich der
neue Hyundai i30 III auffallend zurück
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Der erste Eindruck, so sagt man, ist der entscheidende - beim Hyundai i30 ist er unmöglich: Der Bildschirm bleibt dunkel, obwohl das Gerät an ist. Nicht der vom Auto, sondern der vom Handy des Testers, der sich gerade wieder einmal davon überzeugt hat, dass Apple CarPlay zu den eher nutzlosen Errungenschaften moderner Autos gehört. Das bleibt ein Weilchen so, denn das gute Stück lässt sich auch nicht mehr neu starten. Der i30 ist nicht schuld, stellt sich später bei wiederholten Versuchen heraus, und so bekommt er eine zweite Chance.

Die beginnt mit der Erkenntnis, dass die Sitzheizung gut funktioniert und die Lenkradheizung vielleicht doch kein so dekadentes Extra ist, wie man normalerweise Mitte April wohl denken würde - am Testtag sind alle Beteiligten und die Sommerreifen froh, dass der Schnee in München bei 1 Grad nicht liegengeblieben ist.

Auf gehts also, vorbei am Münchner Testareal von BMW, raus aufs Land, wo hoffentlich trotz des "Blitzer-Marathons" ein bisschen Fahrfreude aufkommt. Ja, tut sie, weil man im i30 angenehm sitzt, absolut klare Instrumente vor Augen hat und die Bedienung keinerlei Rätsel aufgibt. Tut sie auch, weil die Testwagen allesamt sauber verarbeitet und (nicht nur an der berühmt gewordenen Lenkradverstellung) knarzfrei sind, weil die Bremsen wirkungsvoll erscheinen und die Straßenlage im positiven Sinne unauffällig, auch bei 200 Sachen auf der Autobahn.

Unter der Haube arbeitet der neue, aufgeladene Benziner, der aus 1,4 Litern Hubraum 140 PS entwickelt und 242 Newtonmeter Drehmoment ab 1.500 Umdrehungen bereitstellt. Anders als der nicht aufgeladene 1,6-Liter-Motor im Vorgänger erfreut das moderne Aggregat mit mehr Punch und mehr Laufruhe, erreicht allerdings nicht ganz die hohe Kultiviertheit der TSI aus dem Hause VW. Der Normverbrauch liegt bei 5,5 Litern, den Praxisverbrauch können wir aufgrund der unter 100 Kilometer langen Testfahrt nicht seriös beziffern.

Motorische Alternativen sind der 1,6-Liter-Diesel mit 136 PS, der sich wegen seines Verbrauchsvorteils vor allem für Vielfahrer empfiehlt und interessanterweise kaum nach Diesel anhört, sowie ein ebenfalls neuer Dreizylinder mit 120 PS aus 1,0 Litern Hubraum. Die Leistungsdifferenz zum Vierzylinder ist spürbar, aber nicht weltbewegend, die Geräuschkulisse nicht lauter, aber unharmonischer. Bei 900 Euro Preisdifferenz spricht vieles dafür, im Zweifel den "großen" Motor zu wählen. Genau wie die Konkurrenz liefert Hyundai die Benziner noch ohne Partikelfilter aus.

Wer weniger Leistung möchte, hat Pech gehabt - wer mehr möchte, auch. Das gilt aber nur vorerst: Bald erscheinen Versionen des Dieselmotors mit 95 und 110 PS und ein konventioneller 1,4-Liter-Benziner mit 100 PS. Sportsfreunde müssen sich noch einige Monate länger gedulden, bis sie den neuen i30 N ausprobieren dürfen, der gut zu werden verspricht, weil Hyundai unter der Verantwortung von Albert Biermann, seines Zeichens ehemals Motorsportchef der BMW M GmbH, viel Mühe investiert hat. 250 PS darf man mindestens erwarten, 270 könnten es auch werden, vielleicht sogar noch etwas mehr in einer Performance-Variante.

Einen stärkeren Diesel oder eine Erdgas-Version hat Hyundai ebenso wie Allradantrieb nicht im Programm, und wer Hybrid oder Elektro möchte, muss zum Ioniq (Fahrbericht Ioniq) wechseln.

Auffallend angenehm im i30 ist das Doppelkupplungsgetriebe (DCT). Die 7-Gang-Box schaltet so schnell, so sanft und fast schon so unmerklich, dass der prüfende Blick zum Drehzahlmesser nötig erscheint, anders als beim Motor kann Hyundai hier das VW-Niveau übertrumpfen. Mit 1.900 Euro hat dieser Komfortgewinn allerdings auch seinen Preis, und dass in diesem auch eine Fahrprofilauswahl inbegriffen ist, macht es nur bedingt besser, zumal diese nicht individuell konfigurierbar ist.

Weniger gefallen hat dagegen die Lenkung, die schwergängiger als gewohnt ausgelegt ist und unharmonisch wirkt. Während das Fahrverhalten gegenüber dem Vorgänger ein merkliches Stück erwachsener geworden ist, gibt der i30 keinen Kurvenräuber, er spielt eher den braven Komfort-Kompakten, was für die Mehrheit der Käufer im Alltag die richtige Auslegung ist. Zum Charakter des Reisewagens passen einige Merkmale, die in dieser Klasse Erwähnung verdient haben:
  • die Sitzklimatisierung ist sehr angenehm
  • der Heckwischer lässt sich bei starkem Regen auch dauerhaft betreiben
  • das zweigeteilte Panorama-Dach ist so groß wie sonst nur bei Kombis
  • bei elektrischen Sitzen gibt es eine automatische Ein-/Aussteigposition
  • der Kofferraum ist mit 395 Litern überdurchschnittlich groß
Was die Assistenzsysteme betrifft, sei der i30 best in class, lässt Hyundai wissen. Gemeint ist damit nicht die Zahl oder Güte der möglichen Assistenten, sondern die Zahl derer, die serienmäßig sind. In der Tat: Schon ab dem Basismodell sind der aktive Spurhalteassistent, der Speedlimiter, die Müdigkeitserkennung und die City-Notbremsfunktion an Bord.

Erhältlich sind darüber hinaus, überwiegend wie viele andere Extras auch allerdings erst in höheren Ausstattungsniveaus, der Abstandstempomat mit Füßgängererkennung und Notbremsfunktion (die auf der Ausfahrt selbst mit viel bösem Willen nicht zum Einsatz zu bringen war), der Querverkehrswarner, die Tote-Winkel-Überwachung, ferner Verkehrszeichenerkennung und Rückfahrkamera. Den Ein- und Ausparkassistenten haben wir in der Aufzählung nicht vergessen, vielmehr ist er schlicht nicht zu bekommen.

In Sachen Licht geht Hyundai den inzwischen üblichen Weg: Standard ist Halogen, Xenon ist nicht mehr verfügbar, und gegen Aufpreis oder serienmäßig in den höheren Modellen funkeln LEDs. Ob sie das gut machen, ließ sich bei Tageslicht nicht eruieren, wohl aber, dass das Thema LED von Hyundai nur mit überschaubarem Herzblut bespielt wird: Die Nebelleuchten sind immer Halogen-bestückt und auffallend unauffällig, die Rückleuchten verfügen nur über Teil-LED-Technik, und die Innen- und Kennzeichenbeleuchtung überhaupt nicht. Der statische Fernlicht-Assistent ist Standard, eine adaptive Maskierfunktion nicht im Programm.

Gezeichnet hat den i30 Peter Schreyer, früher in VW-Diensten und mutmaßlich einer der schmerzhaftesten Personal-Verluste der Wolfsburger in den vergangenen Jahren. Schreyer, zunächst nur für das Kia-Design zuständig, inzwischen aber konzernweit verantwortlich, hat ein ruhiges, weitgehend dem Mainstream zuordenbares Auto geschaffen, das - anders als der Ioniq und auch der für sich genommen ansehnliche Vorgänger - nicht um Aufmerksamkeit buhlt, eher im Gegenteil.

Während andere Marken das Design betonen, nimmt sich der i30 optisch sehr zurück. In die Scheinwerfer verlaufende Dekore wie bei VW, eine C-Säule mit Hinguck-Potenzial wie bei Opel oder einen keck aufrecht stehenden Kühlergrill wie bei Peugeot sucht man am i30 vergebens. Apropos: der sogenannte Kaskaden-Kühlergrill ist zwar etwas weiter hochgezogen als beim Vorgänger, zeigt aber dennoch weniger Präsenz als die bisherige, eckige Variante. Kurzum: Der i30 wirkt gut proportioniert, aus jeder Perspektive ansehnlich - geht aber nicht als der große Wurf durch, wie Schreyers Meisterwerke Golf IV oder Audi TT.

Auch der Innenraum präsentiert sich unauffällig, fast ein bisschen langweilig. Lediglich das frei stehende Display fällt auf. Acht Zoll ist es groß, sein Bild scharf, die Navigation im Test anders als beim Ioniq ohne Probleme, und auch die Bedienung im Wesentlichen schlüssig. Doch für einen echten Hingucker ist der Bildschirm zu dick, und man weiß nicht recht, warum, sind doch selbst preiswerte Smartphones, die viel mehr Technik beherbergen müssen, heutzutage wesentlich dünner.

Man weiß nicht recht, warum, stimmt natürlich nur bedingt, denn natürlich sind es zumeist Kostengründe, die die bessere Lösung der guten weichen lassen. Man kann das am i30 an diversen Stellen spüren, beispielhaft:
  • der schlüssellose Zugang erfordert das Drücken eines Knopfs am Türgriff
  • die Beleuchtung der Make-up-Spiegel wird nicht automatisch aktiviert, auch haben die Sonnenblenden keinen Eingriff im Dachhimmel
  • die Sprachsteuerung funktioniert nur über angeschlossene Handys
  • das Handschuhfach ist weder abschließ- noch klimatisierbar
  • die elektrische Handbremse ist nicht in allen Versionen Standard, und ihr Schalter hat keine Kontrollleuchte
  • die Türtaschen sind nicht ausgekleidet
  • das Tagfahrlicht fungiert auch als Standlicht, ohne dabei abzudimmen
  • der Zeiger des Kühlwasserthermometers steht im Regelbetrieb nicht gerade
  • die Einstellungen im Bordcomputer sind nicht nach Stillstand, sondern erst nach "P" oder Handbremse erreichbar, die Durchschnittsgeschwindigkeit wird nicht angezeigt, es gibt keine "Seit Tanken"-Ebene, und die Daten lassen sich nicht auf dem Zentralmonitor anzeigen
  • der verstellbare Kofferraumboden ist fummelig
  • die Rückfahrkamera ist weder schmutzgeschützt noch mit Waschdüse versehen
  • der Knie-Airbag für den Fahrer ist nicht variantenübergreifend vorhanden
  • eingeschränkte Extra-Auswahl ab Werk: Standheizung, Anhängekupplung, Seitenairbags hinten, Sportfahrwerk, adaptive Fahrwerksregelung, 18-Zoll-Räder u.a. sind nicht lieferbar
Für sich genommen mag jeder Punkt nicht besonders wichtig sein, in der Summe jedoch ist es diese Liste, die einen den i30 in guter, aber eben nicht perfekter Erinnerung behalten lassen. Dies gilt allerdings im Wesentlichen dann, wenn man mit dem Golf und seinen Abkömmlingen vergleicht, die - auch wenn es manche nicht gerne lesen - im Detail fraglos aufwändiger gemacht sind.

Dies wird durch den Preis wieder wettgemacht, mag man denken. Aber so wie der aktuelle i30 außer dem Markennamen kaum etwas mit Hyundais Anfängen in dieser Klasse gemein hat, sind auch die Preise nicht mehr so wie einst. 17.450 Euro lautet die Vorgabe, aber das ist nicht mehr als ein Bauernfängertrick, liefert Hyundai zu diesem Preis den i30 doch nahezu nackt aus - mit Stahlfelgen, Plastiklenkrad, manueller Handbremse, ohne Spiegelblinker, ohne LED-Tagfahrlicht, ohne Farbdisplays, ohne Mittelarmlehne, nur mit dem Basis-Motor und zu schlechter Letzt auch noch ausschließlich in roter Lackierung.

Die mittlere Ausstattungslinie mit dem Dreizylinder kostet denn schon 4.000 Euro mehr, und das vorläufige Topmodell (Diesel, Doppelkupplung, "Premium") rangiert bei 30.750 Euro. Wer sich die Mühe eines einigermaßen ausstattungsbereinigten Vergleichs macht, merkt schnell: Die Preise bewegen sich absolut auf dem üblichen Niveau; sie tendieren sogar eher Richtung Golf als Richtung Astra, Mégane, Focus oder 308. Ob Hyundai dieses Selbstbewusstsein mit überdurchschnittlichen Rabatten ausgleicht, können wir nicht beurteilen, glauben aber, dass die Marketing-Leute hier etwas übers Ziel hinausgeschossen sind, auch wenn sie zu Recht mit der sympathischen Garantie argumentieren können: Hyundai steht nach wie vor für fünf Jahre gerade und verzichtet dabei auch eine Kilometerbegrenzung.

Die Koreaner verkneifen sich übrigens jedweden Golf-Vergleich und auch entsprechende Verkaufsziele. Man wolle lediglich "auf den Zettel der VW-Kunden, heißt es zurückhaltend - und wir glauben, dass der i30 da nicht nur hingehört, sondern sich auch schon befindet - bei manchen Kunden aus Imagegründen womöglich eher als ein Ford, Opel oder Renault.

Der erste Eindruck also war miserabel, aber letztlich doch nicht entscheidend. Klar ist: Der neue i30 ist gegenüber dem Vorgänger noch einmal merklich gereift, und das in nahezu jeder Beziehung. Für den Fortschritt, den er Autobauer in den drei bisherigen i30-Generationen realisiert hat, gebührt ihm Respekt. Der i30 ist ein schönes und gutes Auto mit Schwächen bei Details und Preisgestaltung. Es ist auch ein empfehlenswertes Auto, jedenfalls dann, wenn man keinen Golf gewöhnt ist oder keinen Sinn für dessen On-Tops hat.

Wir empfehlen i30-Interesenten, noch etwas zu warten - auf vergünstigte Sondermodelle einerseits, und auf die beiden weiteren Karosserieversionen andererseits: Der praktischere Kombi steht vor dem Start, und er ist optisch deutlich eleganter als bisher (Serienmodell in der Fotostrecke). Zudem bringt Hyundai in nicht allzu ferner Zukunft etwas, das die Anderen definitiv nicht haben: Eine Spielart, die sich zwischen Fastback und Kombi (Erlkönig in der Fotostrecke) einsortiert, mit der zusätzlichen Prise an Design und Individualität. Sie wird dem i30 gut tun.
(Ach ja, dass Apple die Tastenkombination zum Neustart beim iPhone 7 geändert hat, wusste der Autor nicht, konnte es mangels benutzbarem Handy auch nicht ergoogeln – aber jetzt, wo er wieder "connected" ist, gerne weitergeben: Leiser-Taste (nicht Home) plus An-/Aus-Knopf bringt den Blutdruck schlagartig auf Normalwerte.)
text  Hanno S. Ritter
IM KONTEXT: DER BLICK INS WEB
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