Ford-Ableger mit eigenständigem Design, gutem Interieur und V6-TDI mit 10-Gang-Automatik
Neuer VW Amarok: Besser als erwartet (aktualisiert)
Vor über zwei Jahren endete die Produktion des VW Amarok. Ende des Jahres beginnt sie wieder: Die
jetzt vorgestellte zweite Generation des Pick-up ist
allerdings kein echter VW und wird auch nicht mehr in Deutschland gebaut. Besser als erwartet ist
sie trotzdem geworden.
Volkswagen
Der neue VW Amarok wurde zusammen mit
Ford entwickelt, lässt sich das aber nicht ansehen
Dass ein Weltkonzern wie Volkswagen seinen Pick-up nicht einfach selbst entwickeln und bauen kann, sondern sich dafür mit Ford zusammentut, muss
man nicht verstehen - es ist aber die Wirklichkeit. So wie der Ford Tourneo Connect ein umgelabelter Caddy ist und, schon die Vorstellung ein Graus, der
nächste VW Transporter ein Transit, baut der neue Amarok auf dem bereits letztes Jahr vorgestellten Ford Ranger auf.
Der ist für sich genommen kein schlechtes Auto, was aber am mangelnden Verständnis für die Kooperation nichts ändert. Wer nun vermutet und befürchtet hat,
dass der neue Amarok mehr oder weniger nur ein umgelabelter Ranger ist, sieht sich aber positiv überrascht: Beide Autos trennen schon im Design
deutlich mehr als nur die Labels und ähnlicher Kleinkram. So trägt der Amarok eine vollständig eigenständige Frontpartie bezogen auf Leuchten,
Schürzen und Grill. Während in der Seitenansicht die Türen wohl identisch sind, setzt der VW wieder auf oben eckige Radhäuser - eine Reminiszenz
an den Vorgänger einerseits und eine bewusste Abgrenzung vom Ranger andererseits, die durchaus dem gewollten Synergie-Effekt bei den Kosten zuwiederläuft.
Am Heck zeigt der Amarok einerseits das gleiche Konglomerat aus dritter Mini-Bremsleuchte, Griff und sichtbarem Schloss, andererseits aber deutlich
veränderte Rückleuchten, eine nicht ausgeformte Klappe und eine abweichende Stoßstange - richtige Heckschürzen darf diese Fahrzeuggattung noch immer
nicht tragen.
Die Karosserie wächst in der Länge um rund zehn Zentimeter auf nunmehr 5,35 Meter. Stärker noch legt der Radstand zu, nämlich um rund 17 Zentimeter auf 3,27
Meter. Entsprechend profitieren die Überhänge optisch und bei den Böschungswinkeln (29 vorne, 21 hinten), während der Rampenwinkel naturgemäß schlechter als bisher
ausfällt (21 Grad). Dafür darf der Amarok künftig 80 statt 50 Zentimeter tief waten.
Die maximale Anhängelast beträgt je nach Motorisierung die Genre-typischen 3,5 Tonnen, die maximale Zuladung liegt bei 1,16 Tonnen, und das mit 350 Kilogramm
belastbare Dach verträgt sich auch mit einem Vier-Personen-Zelt. Die Ladefläche bietet 1,54 Meter Länge und 1,22 Meter Breite, wobei wie bisher selbst zwischen
den Radkästen eine Euro-Palette quer geladen werden kann - wenn man mit jeweils drei haarsträubenden Millimetern Platzreserve zurechtkommt.
Das Motorenprogramm ist klassisch. Während der Basis-Diesel mit 150 PS, 350 Nm Drehmoment, Fünfganggetriebe und Heckantrieb den afrikanischen Märkten
vorbehalten ist, startet der Amarok in Europa mit einem 170 PS starken Zweiliter-Diesel, der es auf 405 Newtonmeter bringt. Zuschaltbarer Allradantrieb
und manuelles Sechsganggetriebe sind hier Standard. Heckantrieb und Automatik will VW für diese Variante nicht in Europa anbieten.
Eine Stufe höher rangiert der gleiche Motor mit nun Bi-Turbo-Aufladung und 204 PS bei 500 Newtonmetern Drehmoment. Er kommt stets mit permanentem Allradantrieb
4MOTION und übertragt seine Kraft über sechs manuelle Gänge oder den feinen, von Ford stammenden 10-Gang-Automaten mit by-wire-Technik. An der Spitze kommt abermals
ein V&-Diesel zum Einsatz - der wie auch die kleineren Selbstzünder nach VWs TDI klingt, tatsächlich handelt es sich aber allesamt um Ford-Motoren. Das Topmodell
kommt auf 241 PS, 600 Nm und hat die "große" Automatik serienmäßig an Bord. Der 2,3-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner mit 302 PS wird in Europa nicht verkauft.
Die nächsten positiven Überraschungen betreffen den Tankinhalt, der bei 80 Litern bleibt, und den von 13 auf 19,3 Liter erweiterten AdBlue-Tank. Und auch
im Innenraum hat sich Volkswagen mehr Mühe gegeben als angesichts diverser Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu erwarten war: Merkwürdige
unbeleuchtete Slider gibt es nicht, auch kein primitives "Lichtzentrum" ohne Drehregler und mit englischen Aufdrucken, und auch unpraktische
Touchflächen am Lenkrad sind beim Amarok tabu. VW montiert als Kombiinstrument ein digitales Display, das regulär acht Zoll und gegen Aufpreis bzw.
in den höheren Ausstattungslinien zwölf Zoll misst - und damit an den früheren Standard von Golf oder Passat herankommt, während die aktuellen Modelle mit
10 Zoll auskommen müssen - von den E-Autos mit ihren Minimal-Anzeigen ganz zu schweigen.
Der zentrale Touchscreen ist zehn bzw. 12 Zoll groß und setzt auf den Portrait-Formfaktor. Darunter finden sich einige "echte" Tasten und tatsächlich
auch ein Lautstärkeregler, wie er sein muss: Zum Drehen. Das ganze Ambiente ist angenehm unaufgeregt, erstaunlich symmetrisch und funktional gehalten -
ganz so, wie man es jahrzehntelang von VW kannte. Schade indes, dass es keine schräg positionierten Türgriffe und keine Rändelräder zur Steuerung der
Luftduschen gibt - man mag sich stattdessen an zwei Handschuhfächern und je nach Variante bis zu 18 weiteren Ablagen, darunter auch Sitzschubladen, erfreuen.
Bisher hat VW den Amarok nur digital präsentiert und das auch nur in den beiden Topvarianten PanAmericana (Offroad-Charakter) und Aventura (Luxus). Darunter rangieren
die Varianten Amarok, Life und Style, von denen die erste äußerst bescheiden bestückt ist - 16-Zoll-Stahlräder, manuelle Handbremse, Heckleuchten ohne LED,
nur vier Lautsprecher, unlackierte Frontschürze, Plastiklenkrad und dergleichen sind hier Standard. Nur etwas großzügiger zeigt sich der "Life" (u.a. Lederlenkrad,
Privacy Glass, Licht- und Regensensor, sechs Lautsprecher, Parksensoren vorne).
Erst ab dem "Style" wird es dann deutlich besser: Hier bekommen Amarok-Käufer beispielsweise schwarze 18-Zöller und Matrix-Licht, eine ausgekleidete Ladefläche, die
größeren Monitore, Sitzheizung und Klimaautomatik, schlüsselloses Zugangs- und Startsystem, die elektrische Handbremse und zusätzliche Assistenten. Die Top-Varianten
setzen auf eine X-förmige Frontschürze, bis zu 20 Zoll große Räder (Aventura), weitere Ausstattungen und Dekorelemente.
Insgesamt macht der neue Amarok mit dem eigenständigen Exterieur-Design, dem angenehm gemachten Interieur, dem beibehaltenen Sechszylinder-TDI, der
Zehngang-Automatik und weiteren Details einen guten ersten Eindruck. Warum VW so etwas nicht kostendeckend alleine hinbekommt und lieber in Südafrika als in
Hannover produziert, bleibt dennoch unbeantwortet - zumal die wieder eingestampfte Mercedes X-Klasse prägnant zeigte, dass eine Kooperation
(dort mit Renault/Nissan) alleine längst nicht alles ist. Der Amarok I fand 830.000 Käufer, und das sollte wiederholbar sein. Los geht es allerdings aus
ebenfalls unerfindlichen Gründen erst 2023, und deswegen liegen auch noch keine Preise vor.
Korrektur: In der ursprünglichen Variante des Artikels waren wir davon ausgegangen, dass es sich um die bekannten TDI-Motoren von Volkswagen handelt.
Tatsächlich werden aber ausschließlich Ford-Aggregate verbaut. Wir haben den Text oben entsprechend angepasst. —Red.