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Freitag, 29. März 2024
Elektroauto bekommt Verbesserungen, bleibt aber enttäuschend

Facelift VW ID.3: Die vertane Chance

Der ID.3 war eine langwierige Geburt und der Beginn einer völlig überraschenden, primitiven Modellpolitik von Volkswagen. Entsprechend hagelte es Kritik, und folgerichtig kommt nun bereits nach zweieinhalb Jahren das Facelift, das das erste Großserien-Elektroauto der Marke aus der Schusslinie nehmen soll. Doch das vermag höchstens ansatzweise zu funktionieren.
Volkswagen
Gereift, aber nicht erwachsen:
VW liftet den ID.3
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Man darf Fehler machen, und manchmal, ja manchmal täte im Nachgang ein bisschen Demut und Zurückhaltung gut. VW hätte halbwegs positiv formulieren können, dass man ausgehend vom Feedback der Kunden den ID.3 als Vorreiter der Elektro-Offensive "aktualisiert" habe. Stattdessen teilt der Autobauer mit, man schreibe mit der "zweiten Generation" des ID.3 die Erfolgsgeschichte der "ID. Familie" [sic] fort.

Im letzten Herbst hatte VW das Facelift bereits angekündigt; es wirkte damals zunächst wie eine Schnellschuss-Aktion des neuen Konzernchefs. Tatsächlich aber wurde die Modellpflege bereits vor dem Vorstandswechsel geplant - und genau so kommt sie auch daher.

Zu den Fakten: Das Facelift erfreut zunächst mit einer Abkehr vom merkwürdigen Dekor an der C-Säule, der endlich serienmäßigen silbernen Leiste an der Dachlinie sowie durch eine schöner akzentuierte Motorhaube, die nun ohne das seltsame "schwarze Brett" bis zur Windschutzscheibe reicht. Die Frontschürze ist nun auffälliger, aber nicht unbedingt besser gezeichnet. Vor allem ist sie aerodynamischer. Zusammen mit einer elektrischen Kühlerjalousie, die allerdings optisch über dem Kennzeichen nicht chic wirkt, sinkt der Cw-Wert von guten 0,27 auf nochmals bessere 0,263.

Am Heck gibt es nicht einmal eine neu gezeichnete Schürze, vielmehr beschränken sich die Änderungen auf ein neues Innenleben der Rückleuchten und darauf, dass deren inneren Bereiche fortan nicht mehr Fake sind, sondern, nun ja, leuchten. Das konnte schon ein Tiguan I oder Golf VI, aber beim ID.3 ist es tatsächlich erst jetzt soweit.

Im Übrigen bleibt das Exterieur, sieht man von zwei neuen Außenlackierungen ab, unverändert. Damit bestehen also auch Peinlichkeiten wie die nicht abgedeckten Türschlösser fort, und die Heckklappe kann nach wie vor in jeder Farbe geliefert werden, wenn es denn schwarz ist. Trotz Heckmotor-Konzept gibt es weiterhin keinen noch so kleinen Frunk unter der vorderen Haube, der etwa das Ladekabel-Gedöns aufnehmen könnte, und statt einer schön ausschwenkenden Anhängekupplung bekommt man nur eine unschön ausklappende Fahrradträger-Kupplung. Immerhin: Die Ladeklappe bleibt auf der richtigen, nämlich rechten Seite.

Noch mehr Kritik als für das Außendesign musste der ID.3 für sein Interieur einstecken. Folgerichtig haben die Wolfsburger auch hier nachgearbeitet. So gibt es nun schönere Sitzbezüge, edlere Nähte, und an etlichen Stellen wurde billiges Hartplastik durch geschäumte Kunststoffe ersetzt, wie das ein Golf und sogar ein Polo schon vor vielen Jahren hatte. Das Lenkrad und damit der gesamte Innenraum sind nun animal-free, es kommen diverse Recyklate um Einsatz, der angekündigte Umstieg auf ein Lenkrad mit Tasten statt Touchflächen steht aber noch aus. Die Basis steht noch immer auf Stahlrädern.

Serienmäßig verbaut VW nun immer das 12 Zoll große Zentraldisplay, die 10-Zoll-Variante entfällt. Es wirkt in seiner schräg positionierten Aufgesetztheit nach wie vor wie ein Fremdkörper im Auto und es hat noch immer unbeleuchtete und nicht nur deswegen völlig praxisfremde Slider für die Klimabedienung. Es kommt eine aktualisierte, in Details bessere Software zum Einsatz, die bestimmte Funktionen bedienfreundlicher anordnet und eine optimierte Sprachsteuerung bieten soll. Auch die Planung von Ladestopps beherrscht das System nun flexibler. Das Thermomanagement der Akkus soll verbessert sein, eine Akku-Vorkonditionierung fehlt aber weiterhin. USB-C-Anschlüsse und Fernlichtassistent werden Standard, Navigation, Abstandstempomat oder 2-Zonen-Klimaautomatik sind dagegen nach wie vor nicht serienmäßig im Basismodell, ihre Freischaltung lässt sich aber nachträglich kaufen - auch vorübergehend.

Auch am minimal kleinen Fahrerdisplay (5,3 Zoll) mit seinem merkwürdig seitlich angeflanschten Wählhebel hält VW fest, ebenso an nicht angewinkelten Türgriffen innen, dem komischen "Lichtzentrum" links vom Lenkrad, den fehlenden Rändelrädern für die Luftduschen, an höchst empfindlichen Klavierlack-Flächen und nicht zuletzt an einem Panoramadach, das man nicht öffnen kann - früher der Lacher, wenn es um irgendwelche Billigmarken ging.

Das Ambientelicht verfügt nun optional über ein "ID. Light" genanntes Lichtband unterhalb der Windschutzscheibe, das mit verschiedenen farblichen Effekten Hinweise des Eco-Assistenten, eine Gefahrenwarnung, ein Hinweis auf freie Parkplätze und Ähnliches signalisieren kann - das Schwestermodell Cupra Born ist das Vorbild.

Volkswagen fabuliert vom "Wohlfühlcharakter" des Interieurs, doch mit der Wirklichkeit hat das kaum etwas zu tun: Man muss sich zum Vergleich gar nicht das Ambiente eines Hyundai Ioniq 5 anschauen, um den himmelgroßen Unterschied zu begreifen: Auch der Blick in einen Golf VII, selbst in einen Golf VI, wird jeden ID.3-Interessenten zweifeln lassen, das Portemonnaie zu zücken.

Antriebsseitig gab es am wenigsten Änderungsbedarf, und entsprechend gibt es auch keine Änderungen. Leistung, Drehmoment, Ladeleistung, Batteriegrößen (58 und 77 kWh) und trotz Aerodynamik-Fortschritt auch die Reichweiten (426 bzw. 546 Kilometer) bleiben unverändert. Ein ID.3 ist umgerechnet stets 204 PS stark und erreicht 310 Nm. Aufgeladen wird in 30 bzw. 35 Minuten von fünf auf 80 Prozent SoC. Eine stärkere GTX-Variante dürfte folgen, aber anders als bei ID.4/5 nicht mit Allradantrieb und zwei Motoren ausgestattet sein, womit der ID.3 auch hier hinter dem Wettbewerb zurückbleibt. Ebenfalls folgen soll eine dritte Akku-Variante als Einstiegsoption.

Das alles klingt nicht so prickelnd, werden Sie denken, und ja, in der Tat: Dass der ID.3 auch noch teurer wird, macht die Sache nicht besser. Den neuen Basispreis mag Volkswagen noch nicht verraten, wie überhaupt der Autobauer auch zum aktuellen Modell weder eine Preisliste zum Download anbietet noch einen Konfigurator, der nachvollziehbare Preise anzeigt. Dazu kommt eine aktuelle Lieferzeit im Bereich von etwa neun Monaten, die erst nach dem geplanten Produktionsstart in Wolfsburg zusätzlich zu Zwickau 2024 sinken wird. Da werden absehbar weiterhin viele Interessenten, auch wenn sie Elon Musk nachvollziehbarerweise nicht mögen, zum Ioniq 5 oder zum Tesla greifen: Ein Model 3 ist schneller, angesagter, schicker, besser ausgestattet, reichweitenstärker, höchstens zehn Prozent teurer - und nahezu sofort lieferbar.

Wertig, sympatisch [sic!] und digital sei der neue ID.3, tönt es aus Wolfsburg. Und das sind uns dann doch zu viele Fehler auf einmal.
text  Hanno S. Ritter
IM KONTEXT: DER BLICK INS WEB
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