Wenn ein Vater aus Sorge um sein Kind ein Tempolimit missachtet, kommt er möglicherweise ohne Fahrverbot davon.
Das hat jetzt das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, gleichzeitig aber hohe Anforderungen an den Sachverhalt
gestellt.
In dem Fall geht es um einen Mann, der im April 2004 in einer 30 km/h-Zone mit 61 km/h geblitzt wurde und daraufhin
einen Bußgeldbescheid in Höhe des Regelsatzes von 125 Euro und einem Monat Fahrverbot erhalten hatte.
In der auf seinen Einspruch hin durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Karlsruhe im April 2005 brachte
der Betroffene vor, er sei kurz zuvor über einen Sturz seines an einem "Down-Syndrom" erkrankten Kindes unterrichtet
worden und habe aus Sorge um dieses bei seiner sofortigen Heimfahrt die aufgestellten Zonenbegrenzungsschilder
übersehen. Diese Entschuldigung hatte das Amtsgericht nicht gelten lassen und die von der Bußgeldbehörde getroffene
Entscheidung bestätigt, zumal der Autofahrer auch schon früher mehrfach zu schnell erwischt worden war.
Der Mann wandte sich daraufhin an das Oberlandesgericht, das der Argumentation jedenfalls vorläufig folgte. Der
Bußgeldsenat entschied (Beschluss vom 08.08.2005;
- 1 Ss 81/05 -), dass eine die Anordnung eines
Fahrverbots im Regelfall rechtfertigende grobe Verletzung der Pflichten eines Autofahrers ausnahmsweise
dann nicht vorliege, wenn ein Vater zu seinem verunfallten Kind eile und dabei Straßenverkehrsregeln überschreite,
denn dieser handele nicht aus grobem Leichtsinn, grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit, sondern aus Sorge um
das Leben oder die Gesundheit des Kindes.
Allerdings vermöge nicht jeder Hilferuf eine solche Beurteilung zu rechtfertigen, vielmehr sei dies nur dann der
Fall, wenn eine sofortige Hilfeleistung durch den Vater zwingend erforderlich sei und/oder dieser davon ausgehen
dürfe.
Ob dies der Fall war, muss die Erstinstanz nun in einer neuen Hauptverhandlung klären. Dabei hat der Senat betont,
dass sich das Amtsgericht nicht mit der bloßen Einlassung des Betroffenen zum Vorliegen einer solchen
"notstandsähnlichen Situation" begnügen dürfe, sondern diese anhand weiterer Beweismittel überprüfen und kritisch
hinterfragen müsse.
Solle nämlich vom Regelfall der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden, so bedürfe es wegen der grundsätzlich
gebotenen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer einer besonders eingehenden und sorgfältigen Überprüfung der
Einlassung eines Betroffenen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen.