Mit der neuen Giulia soll für Alfa Romeo eine Modelloffensive und ein neues Zeitalter beginnen. Noch gibt die italienische
Limousine nicht alles preis, doch der erste Eindruck von Design und Technik wirkt überzeugend. Dazu kommen Leistungsdaten,
die an Ferrari erinnern – und das ist kein Zufall.
Fiat
Mit der neuen Giulia fährt
Alfa Romeo in die Zukunft
Alfa Romeo ist tot, so gut wie. Die italienische Marke ist in Deutschland in den ersten fünf Monaten mit
exakt 1.225 Neuzulassungen in der Bedeutungslosigkeit versunken, der Marktanteil liegt bei 0,1 Prozent - aufgerundet.
In anderen Ländern sieht es nicht besser aus: MiTo und Giluietta stehen kaum mehr irgendwo auf dem Zettel,
und gäbe es nicht den 4C, hätte man von Alfa schon lange gar nichts mehr gehört.
Von wegen, Alfa Romeo ist tot. Im Gegenteil, lassen die Italiener wissen. Der Chef von Fiat Chrysler Automobiles (FCA), Sergio
Marchionne, will nach dem Aus für Lancia außerhalb Italiens zumindest die traditionsreiche Marke auf bis zu 400.000 Einheiten
jährlich aufpumpen, sieben neue Modelle in drei Jahren einführen und Alfa so zum konzerninternen Premiumanbieter machen,
der es mit Audi, BMW & Co. aufnimmt. Die Pläne klingen ambitioniert, mindestens - und doch nicht unmöglich, denn das Image
von Alfa strahlt nach wie vor - und, um zum Ende des Prologs zu kommen, das neue Auto auch.
Es beginnt mit einer Überraschung: Die Giulia wird maskulin, jedenfalls in der Presseinfo der deutschen FCA AG.
Ob hier ein Alleinstellungsmerkmal bewusst aufgegeben wird oder der Text keine vernünftige Schlussredaktion hatte,
muss zunächst offen bleiben - und wir erlauben uns, weiter von der Giulia und nicht dem Giulia zu reden.
Auf die Bühne in Mailänder Vorort Arese rollte am Dienstag Abend eine völlig neu entwickelte Limousine der Mittelklasse,
feurig rot lackiert natürlich und - nicht weniger als 510 PS stark. Jawohl, Alfa startet die Präsentation des Schicksals-Modells
mit der Topvariante Quadrifoglio (ohne "Verde"), das einen BMW M4 blass wirken lassen soll. Der Sechszylinder-Turbo, der bei Teillast
aus Effizienzgründen zum Vierzylinder wird, wurde von Alfa entwickelt und von Konzernschwester Ferrari bis auf jene 510 PS aufgepumpt,
die das Auto in die Schlagzeilen bringt - und ein bisschen an den Lancia Thema 8.32 erinnert, der vor bald 30 Jahren mit einem Ferrari-V8
und weniger als der Hälfte der Leistung Aufsehen erregte.
Abgesehen von 3,9 Sekunden Beschleunigungszeit für den Standardsprint halten die Italiener weitere Daten noch hinter den Alpen,
versprechen lediglich ein Leistungsgewicht von unter drei Kilogramm, sprich: Das Auto wiegt nur rund 1.500 Kilogramm. Möglich macht
dies aufwendiger Leichtbau. So bestehen Kardanwelle, Motorhaube und Dach aus Kohlefaser. Aus Aluminium werden
der Motor, die Türen und Kotflügel, die Radaufhängungen inklusive der vorderen Federbeindome sowie vorderer und hinterer
Hilfsrahmen gefertigt. Sogar Bremsscheiben aus Keramik-Kohlefaser-Verbundmaterial und Sitzrahmen aus Kohlefaser sind Mittel zum Zweck.
Die Torsionssteifigkeit der Karosserie soll trotzdem einen Spitzenwert im Segment erreichen.
Der ist auch angekündigt für den numerisch noch nicht bekannten Radstand und gilt auch für die Gewichtsverteilung von 50:50.
Während das Topmodell mit Allradantrieb keine Traktions-Sorgen bereiten dürfte, werden auch die später folgenden zahmeren
Modelle (ab etwa 120 PS) insoweit für nach oben gezogene Mundwinkel sorgen: Die Kraft fließt nach hinten. Besonderes
Augenmerk galt einer direkten Lenkung und einer hocheffizienten Bremsanlage. Ein aktiver Frontspoiler sorgt für gute
Aerodynamik-Werte und mehr Abtrieb an der Vorderachse bei höheren Geschwindigkeiten.
Ein Blick aufs Design: Den ersten Bildern nach zu urteilen, haben die Alfa-Mannen hier ganze Arbeit geleistet. Entstanden ist
eine sportlich wirkende Limousine mit langer Motorhaube und kurzen Überhängen, die sich optisch nicht im Spagat zwischen
Tradition und Zukunft verliert, die nicht zu aufdringlich wirkt, ohne großen Chromschmuck auskommt und die insgesamt
viel besser gelungen ist als man das befürchtet haben mag.
Einen Blick in den Innenraum zu werfen ist noch nicht erlaubt. Angekündigt ist ein kleines Lenkrad, das die Einstellknöpfe
für die elektronischen Fahrassistenzsysteme trägt, hochwertige Oberflächen und ein insgesamt fahrerorientiertes und
aufgeräumtes Cockpit-Layout. Über zwei Multifunktionsschalter werden die Fahrdynamikregelung D.N.A. (mit den Modi
"Advanced Efficient", "Natural", "Dynamic" und beim Quadrifoglio zusätzlich "Racing") und das Infotainmentsystem gesteuert.
Die neue Giulia rollte exakt 105 Jahre nach Gründung der Anonima Lombarda Fabbrica Automobili auf die Bühne.
Bis es weitere Details geben wird, dauert es noch ein bisschen, aber die - von einem überarbeiteten Logo
begleitete - Botschaft dürfte angekommen sein: Wir sind wieder da, ruft Alfa den Alfisti zu - und denen, die es
werden sollen. Ob es klappt? Schwer zu sagen, doch der erste Eindruck ist gut. Der, nein: DIE Giulia gefällt.