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RR4-Ausblick: Rolls-Royce 200EX |
Rolls-Royce |
Den Gürtel engen schneller müssen – oder wollen – auch die besonders reichen Kunden von Rolls-Royce.
Auch deswegen kommt 2010 ein unterhalb des Phantom angesiedeltes zusätzliches Modell auf den Markt. Einen Vorgeschmack
gibt die britische BMW-Tochter auf dem Genfer Salon mit einer seriennahen Studie.
Rolls-Royce - der Name des Traditions-Autobauers steht für Luxus im Überfluss, Prestige ohne Ende und einen
Schuss britischen Understatements. Derzeit einziges Modell ist der Phantom, zu haben als Limousine in zwei
verschiedenen Längen, als Coupé und als Cabriolet alias Drophead Coupé.
Der Phantom hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten inzwischen in der kleinen Zielgruppe etabliert, und doch
strebt der Hersteller nach einer Erweiterung des Angebots - nach unten. Grund: Auch den, pardon, stinkreichen, Kunden
sitzt jedenfalls zum Teil das Geld nicht mehr so locker wie noch vor ein paar Jahren, und nicht jeder, der könnte,
will auch so viel in ein einziges Auto investieren, was notabene der aus gleichem Lande stammenden VW-Tochter Bentley
in den letzten Jahren gute Geschäfte eingebracht hat. Auch braucht Rolls ein Auto, das die hohen Ansprüche der Kunden
erfüllt, aber wenigstens ein Stück weit sozialverträglicher wirkt.
Ein kleinerer Rolls also soll kommen, das ist schon länger bekannt. RR4 lautet der Projektname, wohl nicht aber die
endgültige Bezeichnung - gerüchteweise könnten die Briten auf den höchst traditionsreichen Namen "Silver Ghost" zurückgreifen.
Dem aber wollen wir nicht vorgreifen und taufen das Auto einmal schnell auf "Rolls-Roycechen", so wie die Eltern des Autors
einst ihren VW Käfer nannten. Die Verkleinerungsform allerdings sollte man nicht wörtlich nehmen: Mit 5,40 Meter überragt das
Auto selbst die (als Basis dienende) Langversion des BMW 7er immer noch um knapp ein DIN-A4-Blatt - liegt aber derer
zwei unter dem Phantom.
Rolls-Royce selbst nennt das auf dem Genfer Salon im März vorzustellende Auto "200EX". Es reiht sich damit ein in eine
lange Tradition solcher "Experimental Cars" ein - vom ersten 1EX im Jahr 1919 bis zum 101EX aus dem Jahr 2006, dem ersten
Zukunftsausblick nach der Übernahme durch BMW. Alle EX-Modelle, das ist dem Hersteller wichtig, waren voll funktionsfähig
und nicht lediglich "Concept Cars". Während es beim 100EX (Phantom Cabriolet) noch hieß, an eine Serienproduktion
sei nicht gedacht, war beim 2008 folgenden 101EX, dem Coupé-Vorläufer, das Gegenteil schon bei der Vorstellung klar.
Und beim 200EX macht auch Rolls selbst kein Geheimnis mehr daraus, dass das Auto 2010 auf den Markt kommt.
Entwickelt wurde der 200er vom gleichen Designer- und Ingenieurteam wie die beiden Phantom-EX. Ziel war es, die Markenwerte
auf das kleinere Auto zu übertragen und diesem ein etwas dynamischeres, gleichwohl selbstbewusstes Erscheinungsbild mitzugeben.
Dem ersten Eindruck nach scheint das gelungen: Designelemente wie der hohe Vorderbau, die lange Motorhaube, der kurze vordere
Überhang, die auffällig geneigte A-Säule und das elegante Heck verleihen dem 200EX eine hohe optische Präsenz. Details wie die
schmalere C-Säule mit dem dreieckiger gezeichneten dritten Seitenfenster, das flachere Dach, die LED-Zusatzscheinwerfer oder
die sichtbaren Endrohre sorgen für einen Schuss "jüngeren Esprit", wie sich Chefdesigner Ian Cameron ausdrückt.
Es bleibt bei dem Konzept der hinten angeschlagenen Fondtüren, wie es die Marke mit dem Phantom wieder eingeführt hat - und
die schon lange keine "suicide doors" mehr sind. Sie öffnen in einem Winkel von bis zu 83 Grad. Rolls Royce schreibt
dazu, das sei mehr als irgendwo sonst in der Autoindustrie, und: "providing the warmest of welcomes to those about to step
inside" - das kann man so schön nicht übersetzen.
Wer tatsächlich einsteigt, die schweren Türen schließt und hinter der hohen Gürtellinie Platz nimmt, findet sich in einem
etwas kleineren, gleichwohl höchst luxuriösen Ambiente wieder. Das Interieur präsentiert sich in Naturleder Crème Light,
Cornsilk-farbenen Teppichen und einem Dachhimmel aus einem Kaschmirmischgewebe. Das Palisander-Holzfurnier besticht vor
allem durch die waagerechte Maserung. Das Armaturenbrett wirkt weniger pompös und etwas moderner als im Phantom, erlaubt es
aber immer noch, in eine eigene, ruhige und unaufgergte Welt abzutauchen.
Unter der langen Motorhaube fällt der Verzicht aus: Es bleibt bei einem großen Zwölfzylinder-Motor, von dem Rolls nur
zu sagen bereit ist, er sei neu. Gemeint ist das entsprechende, noch nicht vorgestellte Triebwerk von BMW, das auch
im 7er Verwendung finden dürfte. Beim Preis dagegen wird Rolls-Royce Verzicht üben müssen; in welcher Größenordnung,
bleibt abzuwarten. Unter 300.000 Euro Einstiegspreis jedenfalls darf man erwarten - zuzüglich Mehrwertsteuer.