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Freitag, 29. März 2024
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Gericht: Pkw-Bezeichnung in den Fahrzeugpapieren unerheblich

Urteil: Tempolimit für Transporter je nach dessen Verwendungszweck

Mit der Frage, ob das in § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO für Lastkraftwagen auf Autobahnen geltende Tempolimit von 80 km/h auch für Mehrzweckfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen gilt, die in den Zulassungspapieren als "Pkw" bezeichnet sind, hatte sich jetzt der 2. Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu befassen.

In dem zu entschiedenen Fall hatte ein 33-jähriger Betroffener mit seinem Fahrzeug vom Typ Mercedes Sprinter mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,6 Tonnen die Autobahn 5 im Bereich der Gemarkung Freiburg mit einer Geschwindigkeit von 134 km/h befahren, wobei er in eine Radarkontrolle geriet. Die zuständige Bußgeldbehörde verhängte daraufhin gegen ihn eine Geldbuße von 275 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot, weil er die für Lastkraftwagen außerhalb geschlossener Ortschaften allgemein geltende Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h um 54 km/h überschritten habe.

Von diesem Vorwurf sprach ihn das Amtsgericht Freiburg im März 2003 frei, weil es der Auffassung war, das Fahrzeug des Betroffenen sei entsprechend seiner Zulassung "Pkw geschlossen" als Personenkraftwagen einzuordnen, so dass hierfür keine allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung gelte. Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Freiburg hat der 2. Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe jetzt die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das Amtsgericht Freiburg zurückverwiesen.

Der Senat hat dabei zunächst klargestellt, dass es für die Einordnung eines Fahrzeuges als Personenkraftwagen bzw. Lastkraftwagen im Sinne der StVO nicht auf die im Rahmen des Zulassungsverfahren nach der StVZO ausgestellten Fahrzeugpapiere (Betriebserlaubnis, Fahrzeugbrief und Fahrzeugschein) ankomme, sondern hierfür allein auf die konkrete Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs abzustellen sei. Daher sei es z.B. unerheblich, dass das Fahrzeug des Betroffenen als "Pkw geschlossen" zugelassen wurde. Leitgedanke der StVO sei nämlich die Verhinderung von Verkehrsunfällen. Für die Beherrschung eines Fahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr seien aber neben den persönlichen Fähigkeiten des Fahrzeugführers vor allem die Eigenschaften des Fahrzeuges und dessen Ladung relevant, weshalb auch unter Berücksichtigung von EG-Recht hierauf und nicht auf Bestimmungen des Zulassungsverfahrens abzustellen sei.

Die StVO enthalte - so der Senat - trotz mehrfacher Verwendung der Begriffe "Lastkraftwagen" und "Personenkraftwagen" jedoch keine einheitliche Definition dieser Fahrzeugarten, vielmehr seien diese auf mehrere Bestimmungen verstreut. Danach seien Lastkraftwagen zunächst Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmt sind, wohingegen Personenkraftwagen Fahrzeuge seien, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt sind. Auch könnte es sich dann um Pkw handeln, wenn diese zwar ein zulässiges Gewicht von nicht mehr als 2,8 Tonnen hätten, jedoch nach ihrer Bauart und Einrichtung wahlweise geeignet und bestimmt seien, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen und wenn sie außer dem Führersitz Plätze für nicht mehr als acht Personen hätten (§ 23 Abs. 6 a StVZO: sog. Kombinationsfahrzeuge).

Zur Frage der genauen Beschaffenheit des Fahrzeugs enthalte das angegriffene Urteil aber keine Feststellungen, weshalb der Senat die vom Amtsgericht vorgenommene Einstufung als Pkw nicht abschließend überprüfen konnte. Solche konkreten Darstellungen seien aber notwendig, da z.B. die Baureihe "Sprinter" eine umfangreiche Palette von Fahrzeugen verschiedenster Bauart umfasse, u.a. auch von nicht mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht (dann keine Geschwindigkeitsbeschränkung, egal ob zulassungsrechtliche Einstufung als Pkw oder Lkw), zum reinen Personentransport unabhängig vom zulässigen Gesamtgewicht von bis zu neun Personen (keine Geschwindigkeitsbeschränkung, da Pkw) oder aber über 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtwicht mit Bestuhlungen von mehr als neun Sitzen oder zum Gütertransport (Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h, da Lkw bzw. Omnibus).

Bei dieser Sachlage hat der Senat das Urteil aufgehoben und dieses zur neuen Verhandlung an das Amtsgericht Freiburg zurückverwiesen, damit dort - was dem Senat selbst im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht möglich ist - ergänzende Feststellungen zur genauen Bauart getroffen werden können (Beschluss vom 25.08.2004; - 2 Ss 80/04 -).

Über die Frage der Geschwindigkeitsbeschränkung für sog. Kombinationsfahrzeuge der Marke Sprinter hatte bereits das Bayerische Oberste Landesgericht in einer Entscheidung vom 23.07.2003 entschieden (- 1 ObOWi 219/03 -, Autokiste berichtete) und das dortige Fahrzeug als Lastkraftwagen (Folge: Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h) eingeordnet, weil dieses lediglich zum Gütertransport bestimmt gewesen sei und ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen gehabt habe.
text  Hanno S. Ritter
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