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Donnerstag, 25. April 2024
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Münchner Flaggschiff fährt mit herkömmlichem Konzept in die Zukunft

Neuer 7er-BMW: Weniger Design, mehr Technik

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BMW 7er-Reihe
BMW
Am 15. November kommt der neue Siebener-BMW zu den Händlern. Das Flaggschiff der Münchner präsentiert sich in der 5. Generation optisch wieder entschärft – fast ein bisschen zu gewöhnlich. Unter dem Blech gibt es modernste Technik wie bei kaum einem anderen Wagen – aber keinen Quantensprung in Sachen Effizienz. Die erste Bekanntschaft mit dem neuen 7er machen die Journalisten in der vergangenen Woche am Donnerstag Nachmittag, als die beiden Marktführer der Auto-Angebote im Internet die Limousine vorstellen - Stunden vor der offiziellen Präsentation von BMW im neuen Münchner Museum der Marke, und über 20 Stunden, bevor die übrige Presse das Material erhält. Das ist, man erlaube das "altmodische" Wort, unfair - mindestens.

Ende Juni 2001 erschreckte BMW die Autowelt mit einem Siebener, dessen Design insbesondere an Front und Heck - Stichworte Tränensäcke und aufgesetzter Kofferraumdeckel - für Aufsehen sorgten - und jedenfalls anfänglich fast überall für Ablehnung. Auch das seinerzeit neue Bedienkonzept mit dem iDrive-Controller wurde mit geteiltem Echo aufgenommen - die Geschichte des nun in Rente gehenden 7ers ist zu lange, um sie hier ausführlich zu erzählen. Am Ende geht die Limousine aber mit einem Rekord in die BMW-Geschichte ein: Kein Oberklassemodell zuvor haben die Münchner öfter verkauft als das vermeintlich hässlichste, wozu insbesondere Kunden in Asien, Ozeanien, Afrika, Osteuropa und dem Mittleren Osten beigetragen haben.

Fast auf den Tag sieben Jahre später steht die Nachfolge-Generation im Rampenlicht. War Auffälligkeit 2001 oberstes Gebot, so ist es nun genau umgekehrt - und BMW wird damit leben müssen, wenn man konstatiert, in beiden Fällen sei etwas übertrieben worden. So wirkt die Neuauflage durchaus stimmig gezeichnet - aber auch nicht mehr. Ob von vorne, seitlich oder hinten: Kein Mut, keine Avantgarde, kein Zukunftsausblick, nothing special.

Auffällig ist die massiv vergrößerte und sehr steil stehende Niere, also der BMW-Kühlergrill, und die ebenfalls großen Rückleuchten in der markentypischen L-Form. Seitlich fällt eine ausgeprägte Sicke nah unterhalb der Fensterlinie ins Auge, die auch die Türgriffe beherbergt, sowie der Seitenblinker, den die Münchner nach wie vor nicht in die Außenspiegel integrieren, sondern im vorderen Kotflügel anordnen und jetzt optisch betonen.

Zumindest nach den ersten Bildern zu urteilen, fällt eine Einordnung schwer: Sportlich ist das falsche Adjektiv für den neuen 7er, elegant definitiv auch - und den kommenden Klassiker, den ein Mitbewerber bereits heraufbeschwört, vermögen wir ebenfalls nicht zu erkennen.

Vom Design zur Technik, die freilich im Rahmen eines solchen Artikels nicht einmal ansatzweise dargestellt werden kann: Das Münchner Flaggschiff ist bis in die letzte Ritze voll mit Technik gestopft, teilweise serienmäßig, teilweise als Extra. Erwähnenswert ist die erstmals bei BMW eingesetzte Vorderachse in Doppelquerlenker-Bauweise und die sogenannte Integral-Aktivlenkung, eine Mischung aus der bekannten Aktivlenkung mit einer geschwindigkeitsabhängig gesteuerten Hinterachslenkung zur Verbesserung von Wendekreis (niedriges Tempo) bzw. Fahrverhalten.

Im übrigen gibt es nun die Möglichkeit, die Fahrdynamik mittels einer Taste auf der Mittelkonsole, wo nun auch wieder der Wählhebel sitzt, zu steuern. Lenk- und Gaspedalcharakterisitk werden davon ebenso beeinflusst wie jene von Stoßdämpfern und Getriebeautomatik. Letzterenfalls bleibt es notabene entgegen der Erwartung jedenfalls vorläufig beim sechsstufigen Wandlerautomaten; das achtstufige Pendant ist nicht zu haben.

Die Assistenzsysteme bestehen nun aus einer Geschwindigkeitsregelung mit Abstandstempomat und Stop&Go-Funktion, einer Spurverlassenswarnung inklusive Tempolimit-Erkennung und -Anzeige, Spurwechselwarnung, Head-Up-Display, Rückfahrkamera und dem Wärmebild-Nachtsichtgerät mit verbesserter Personenerkennung. Ein vorausschauendes Sicherheitssystem wie bei Mercedes dagegen kann BMW weiterhin nicht bieten.

"Side-View" schließlich steht je nach Sichtweise stellvertretend für den Fortschritt der modernen Auto-Entwicklung - oder deren falsche Weichenstellung: Das Kamerasystem schaut vorne seitlich aus dem Auto, damit der Fahrer die auf 5,07 Meter in der Normalversion gewachsene Limousine sicher aus engen Ausfahrten zirkeln kann, ohne mit dem vom Fahrerplatz uneinsehbaren Querverkehr auf der Straße oder dem Radweg zu kollidieren.

Auch die Navigations- und Audiofunktionen hat BMW umfangreich überarbeitet und u.a. um Festplattenspeicher, USB-Anschluss, integrierte und updatefähige Betriebsanleitung und den halbwegs vollwertigen Internet-Zugang erweitert. iDrive wartet mit komplett neuer Menüstruktur auf und bietet nun einen nicht nur dreh- und drückbaren, sondern auch kippbaren Controller - und das alles auch im Fond, inklusive Massagesitzen.

Zuletzt ein Blick aufs Motorenprogramm, dessen Spitze jedenfalls zunächst ein 407 PS starker Achtzylinder mit 4,4 Litern Hubraum und Doppel-Turbo im 750i bildet. Dies bedeutet 40 PS mehr als bisher, aber insgesamt dann eben doch eine enttäuschende Ansage: Der Normverbrauch bleibt mit 11,4 Litern exakt unverändert. Besser sieht es beim 740er aus, wo künftig sechs statt acht Zylinder reichen müssen und der Verbrauch von 11,2 auf 9,9 Liter sinkt. Gar mit 7,2 Litern Normverbrauch gibt sich der 730d als dritte und vorläufig letzte Variante zufrieden.

Das ist fraglos kein schlechter Wert für ein fast zwei Tonnen schweres Luxusauto - und doch vielleicht ein bisschen zu wenig Fortschritt für das automobile Oberhaus nach sieben Jahren. Man muss kein Ober-Öko oder Auto-Skeptiker sein, um zu fragen, ob die Autowelt nicht mehr Innovationen in Umwelt- und Sicherheitsbelangen dringend gebrauchen könnte. Hier ein Zeichen zu setzen, damit die "Freude am Fahren" erhalten bleibt, hat (nicht nur) BMW versäumt.
text  Hanno S. Ritter
IM KONTEXT: DER BLICK INS WEB
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