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Neu ab Herbst: BMW 7er-Reihe |
BMW |
Am 15. November kommt der neue Siebener-BMW zu den Händlern. Das Flaggschiff der Münchner präsentiert sich
in der 5. Generation optisch wieder entschärft – fast ein bisschen zu gewöhnlich. Unter dem Blech gibt
es modernste Technik wie bei kaum einem anderen Wagen – aber keinen Quantensprung in Sachen Effizienz.
Die erste Bekanntschaft mit dem neuen 7er machen die Journalisten in der vergangenen Woche am Donnerstag
Nachmittag, als die beiden Marktführer der Auto-Angebote im Internet die
Limousine vorstellen - Stunden vor
der offiziellen Präsentation von BMW im neuen Münchner Museum der Marke, und über 20 Stunden, bevor die
übrige Presse das Material erhält. Das ist, man erlaube das "altmodische" Wort, unfair - mindestens.
Ende Juni 2001 erschreckte BMW die Autowelt mit einem Siebener, dessen Design insbesondere an Front
und Heck - Stichworte Tränensäcke und aufgesetzter Kofferraumdeckel - für Aufsehen sorgten - und jedenfalls
anfänglich fast überall für Ablehnung. Auch das seinerzeit neue Bedienkonzept mit dem iDrive-Controller wurde
mit geteiltem Echo aufgenommen - die Geschichte des nun in Rente gehenden 7ers ist zu lange, um sie
hier ausführlich zu erzählen. Am Ende geht die Limousine aber mit einem Rekord in die BMW-Geschichte
ein: Kein Oberklassemodell zuvor haben die Münchner öfter verkauft als das vermeintlich hässlichste, wozu
insbesondere Kunden in Asien, Ozeanien, Afrika, Osteuropa und dem Mittleren Osten beigetragen haben.
Fast auf den Tag sieben Jahre später steht die Nachfolge-Generation im Rampenlicht. War Auffälligkeit 2001
oberstes Gebot, so ist es nun genau umgekehrt - und BMW wird damit leben müssen, wenn man konstatiert, in beiden
Fällen sei etwas übertrieben worden. So wirkt die Neuauflage durchaus stimmig gezeichnet - aber auch nicht
mehr. Ob von vorne, seitlich oder hinten: Kein Mut, keine Avantgarde, kein Zukunftsausblick, nothing special.
Auffällig ist die massiv vergrößerte und sehr steil stehende Niere, also der BMW-Kühlergrill, und die
ebenfalls großen Rückleuchten in der markentypischen L-Form. Seitlich fällt eine ausgeprägte Sicke nah
unterhalb der Fensterlinie ins Auge, die auch die Türgriffe beherbergt, sowie der Seitenblinker, den die
Münchner nach wie vor nicht in die Außenspiegel integrieren, sondern im vorderen Kotflügel anordnen und
jetzt optisch betonen.
Zumindest nach den ersten Bildern zu urteilen, fällt eine Einordnung schwer: Sportlich ist das falsche
Adjektiv für den neuen 7er, elegant definitiv auch - und den kommenden Klassiker, den ein Mitbewerber
bereits heraufbeschwört, vermögen wir ebenfalls nicht zu erkennen.
Vom Design zur Technik, die freilich im Rahmen eines solchen Artikels nicht einmal ansatzweise dargestellt
werden kann: Das Münchner Flaggschiff ist bis in die letzte Ritze voll mit Technik gestopft, teilweise
serienmäßig, teilweise als Extra. Erwähnenswert ist die erstmals bei BMW eingesetzte Vorderachse in
Doppelquerlenker-Bauweise und die sogenannte Integral-Aktivlenkung, eine Mischung aus der bekannten
Aktivlenkung mit einer geschwindigkeitsabhängig gesteuerten Hinterachslenkung zur Verbesserung von
Wendekreis (niedriges Tempo) bzw. Fahrverhalten.
Im übrigen gibt es nun die Möglichkeit, die Fahrdynamik mittels einer Taste auf der Mittelkonsole, wo nun auch
wieder der Wählhebel sitzt, zu steuern. Lenk- und Gaspedalcharakterisitk werden davon ebenso beeinflusst
wie jene von Stoßdämpfern und Getriebeautomatik. Letzterenfalls bleibt es notabene entgegen der Erwartung
jedenfalls vorläufig beim sechsstufigen Wandlerautomaten; das achtstufige Pendant ist nicht zu haben.
Die Assistenzsysteme bestehen nun aus einer Geschwindigkeitsregelung mit Abstandstempomat und Stop&Go-Funktion,
einer Spurverlassenswarnung inklusive Tempolimit-Erkennung und -Anzeige, Spurwechselwarnung, Head-Up-Display,
Rückfahrkamera und dem Wärmebild-Nachtsichtgerät mit verbesserter Personenerkennung. Ein vorausschauendes
Sicherheitssystem wie bei Mercedes dagegen kann BMW weiterhin nicht bieten.
"Side-View" schließlich steht je nach Sichtweise stellvertretend für den Fortschritt der modernen Auto-Entwicklung
- oder deren falsche Weichenstellung: Das Kamerasystem schaut vorne seitlich aus dem Auto, damit der Fahrer die auf
5,07 Meter in der Normalversion gewachsene Limousine sicher aus engen Ausfahrten zirkeln kann, ohne mit dem
vom Fahrerplatz uneinsehbaren Querverkehr auf der Straße oder dem Radweg zu kollidieren.
Auch die Navigations- und Audiofunktionen hat BMW umfangreich überarbeitet und u.a. um Festplattenspeicher,
USB-Anschluss, integrierte und updatefähige Betriebsanleitung und den halbwegs vollwertigen Internet-Zugang
erweitert. iDrive wartet mit komplett neuer Menüstruktur auf und bietet nun einen nicht nur dreh- und
drückbaren, sondern auch kippbaren Controller - und das alles auch im Fond, inklusive Massagesitzen.
Zuletzt ein Blick aufs Motorenprogramm, dessen Spitze jedenfalls zunächst ein 407 PS starker Achtzylinder mit
4,4 Litern Hubraum und Doppel-Turbo im 750i bildet. Dies bedeutet 40 PS mehr als bisher, aber insgesamt dann
eben doch eine enttäuschende Ansage: Der Normverbrauch bleibt mit 11,4 Litern exakt unverändert. Besser sieht es
beim 740er aus, wo künftig sechs statt acht Zylinder reichen müssen und der Verbrauch von 11,2 auf 9,9 Liter
sinkt. Gar mit 7,2 Litern Normverbrauch gibt sich der 730d als dritte und vorläufig letzte Variante zufrieden.
Das ist fraglos kein schlechter Wert für ein fast zwei Tonnen schweres Luxusauto - und doch vielleicht ein
bisschen zu wenig Fortschritt für das automobile Oberhaus nach sieben Jahren. Man muss kein Ober-Öko oder
Auto-Skeptiker sein, um zu fragen, ob die Autowelt nicht mehr Innovationen in Umwelt- und Sicherheitsbelangen
dringend gebrauchen könnte. Hier ein Zeichen zu setzen, damit die "Freude am Fahren" erhalten bleibt, hat
(nicht nur) BMW versäumt.