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Sonntag, 13. Oktober 2024
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Amtsgericht Berlin-Tiergarten stemmt sich gegen Beleidigungsanklage

Urteil: »Oberförster« ist keine Beleidigung

Einen Polizeibeamten als "Oberförster" zu titulieren und in den Wald zu schicken, ist keine Beleidigung im Sinne des Strafrechts. Das hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten entschieden – und die Staatsanwaltschaft ebenso wortreich und spitzfindig wie deutlich geohrfeigt. Dem Verfahren lag die Äußerung eines Mannes zugrunde. Einem bei einer Verkehrskontrolle eingesetzten Polizeikommissar hatte er im Vorbeigehen zugerufen: "Herr Oberförster, zum Wald geht es da lang!". Der Beamte erstattete Anzeige, die Staatsanwaltschaft erhob Anklage.

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten folgte dem Ansinnen auf Bestrafung jedoch auf ganzer Linie nicht. In der Entscheidung heißt es, der ehrverletzende Charakter der Äußerung verstehe sich keineswegs von selbst, sei doch die Tätigkeit im Forstdienst etwa eines Bundeslandes für sich genommen kaum geeignet, den sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert einer Person infrage zu stellen. Vielmehr dürfte es sich bei den dienstlichen Verrichtungen eines Försters in aller Regel um nützliche, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten handeln.

Hieran ändere sich auch dadurch nichts, dass der Angeschuldigte den Polizeibeamten nicht als (bloßen) Förster, sondern als "Oberförster" tituliert habe. Man verkenne nicht, dass damit eine gewisse sprachliche Nähe zu dem "Oberlehrer" hergestellt sei, der meist kritische und auch bissige, kaum aber beleidigende Charakterisierungen zugeschrieben bekomme. Außerdem sei die Bezeichnung Oberförster im Gegensatz zum Oberlehrer auch tatsächlich eine reale Dienstbezeichnung. Ein Oberförster würde den Zusatz "Ober" auch nicht als beleidigend empfinden, ebenso wenig wie sich ein verständiger Revierförster durch die Bezeichnung als "Oberkommissar" in seinem Ehrgefühl gekränkt sehen würde, so das Urteil.

Die Staatsanwaltschaft, die die Bedenken des Gerichts vorab als "nicht ansatzweise nachvollziehbar" bezeichnet hatte, betonte, der strafbare Charakter ergebe sich aus der Gesamtäußerung, also inklusive des Wald-Zusatzes. Doch auch dem wollte der Richter nicht folgen. Wörtlich heißt es in der Entscheidung: "Es mag sein, dass sich nach einer kleinen Weile des Nachdenkens und Assoziierens mit dem Begriff Wald oder Holz Bezeichnungen oder Ausdrücke finden ließen, die, hätte der Angeschuldigte sie gebraucht, gewiss dem Tatbestand der Beleidigung unterfielen, indessen hat er dies nicht getan, sodass es müßig ist, in dieser Richtung nachzusinnen, worin die Beleidigungsrelevanz des Waldes liegen könnte."

Damit nicht genug: "Sollte sich herausstellen - das Gericht hat dies nicht geprüft und es auch für nicht erforderlich gehalten -, dass in der unmittelbaren Nähe des Orts der Handlung sich gar kein Wald befindet oder möglicherweise die vom Angeschuldigten im Zuge seiner Äußerung angegebene Richtung dieses Waldes unzutreffend gewesen sein sollte, so könnte dies dazu führen, dass ein verständiger Dritter sich schwer tun müsste, der Äußerung des Angeschuldigten überhaupt eine sinnvolle Bedeutung abzugewinnen, eine ehrenrührige strafbare Beleidigung ließe sich ihr gleichwohl auch dann nicht entnehmen."

Insgesamt, so das Urteil, sei die Äußerung eine "dumme, allenfalls mäßig komische Bemerkung", der man keine weitere Bedeutung beimessen und Beachtung schenken sollte. Ein Polizeibeamter und "auch ein Polizeikommissar" solle diese einfach übergehen, wenn ihm denn keine schlagfertige Entgegnung einfalle. Und schließlich: Die Staatsanwaltschaft solle "einen solchen Schmarren" nicht anklagen.

Nach alledem sah sich das Gericht veranlasst, "höchst vorsorglich" darauf hinzuweisen, dass damit keineswegs einer Nachgiebigkeit gegenüber Beleidigungen von Polizeibeamten das Wort geredet werden solle. Diese seien nicht verpflichtet, sich im Dienst beschimpfen zu lassen, im Gegenteil sollten sie gegen (wirkliche) Beleidigungen in ihrem eigenen Interesse und im Interesse des Ansehens ihres Berufsstands vorgehen. Aber eine Beleidigung liege nur dann vor, wenn es sich um eine ernstliche Herabwürdigung der Person handele, nicht aber unterfalle jede "flapsige, spöttische Bemerkung" dem Tatbestand.

Nach alledem lehnte es der Richter ab, die Hauptverhandlung zu eröffnen.

Beschluss vom 26.05.2008; - (412 Ds) 2 Ju Js 186/08 -
text  Hanno S. Ritter
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