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Samstag, 27. April 2024
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Auffrischung für die Luxuslimousinen

Mercedes: Modellpflege des Maybach

Mercedes: Modellpflege des Maybach
Bild anklicken für Großansicht Mercedes modernisiert
den Maybach
Daimler
Die bisher nicht recht erfolgreiche Daimler-Marke Maybach hat ihre Luxuslimousine einer Überarbeitung unterzogen. Neben optischen Retuschen im Stile eines Facelifts gibt es neue Ausstattungen, während technisch fast alles beim Alten bleibt. Dort, wo die Luft ganz dünn ist, also im automobilen Luxusbereich, hat Daimler den Wettbewerb mit BMW verloren. Gerade einmal rund 200 Limousinen der 2002 wiederbelebten Marke Maybach haben die Stuttgarter im vergangenen Jahr weltweit verkauft - das reicht nicht, in jeder Beziehung.

Gründe für die Misere mag man vielfältige ausmachen. Ganz oben steht wohl schlicht das etwas blasse Design des großen Wagens, das mehr nach Vorgänger-S-Klasse XXL aussieht als nach etwas Eigenständigem, der vielleicht zu unbekannte Markenname, außerdem fehlende Modellvarianten wie ein Coupé - und nicht zuletzt auch die mangelnde Markenpflege durch das Unternehmen: Wer sich den letztjährigen, geradezu ärmlichen Maybach-Auftritt auf der IAA vergegenwärtigt, mag sich noch heute fragen, wer so etwas abgesegnet hat.

Und nun: Mercedes liftet den Maybach. Premiere ist dort, wo die Oberschicht offenbar noch mehr Geld hat als in Europa, wo es so etwas wie "soziale Akzeptanz" mutmaßlich eher nicht und man sich keine Gedanken darüber macht, wie viel CO2 so ein Dickschiff ausstößt: in China.

Wichtigstes Merkmal ist der neue Chrom-Kühlergrill, der in zwei Varianten gefertigt wird. In den Modellen Maybach 57 und 62 trägt er 20 feine Längsstäbe, in den S-Varianten verdeutlichen zwölf massive Doppellamellen und ein Schattenstab die Pole-Position. Beide gepfeilten Kühlermasken sind zudem höher, deutlich größer dimensioniert als bisher, stehen aufrechter und weiter vorne - sprich: Der bullige Maybach wird noch bulliger. Die optischen Retuschen bedingen einen Längenzuwachs von elf Millimetern.

Im Zuge der höheren Front musste auch die Motorhaube modifiziert werden. Sie trägt nun markantere Konturen und wirkt optisch ausgeprägter gepfeilt. Eine neu gestaltete, horizontale gegliederte Frontschürze mit klarer umrissenen Lufteinlässen sorgt ebenfalls für noch mehr optische Präsenz.

Außerdem tragen die Maybach-Modelle künftig ein LED-Tagfahrlicht in der Frontschürze, was man in dieser Umsetzung wiederum für ein bisschen unpassend halten mag. Weitere Neuheiten sind neue Räderdesigns (Serie 19 Zoll bzw. 20-Zoll für S-Modelle), dunkelrot eingefärbte Rückleuchten, eine Kofferraumleiste mit Chromapplikationen und eine neue Lackfarbe namens "Bahamas Blau". Mercedes avisiert außerdem neue Außenspiegel mit Steg, größerer Spiegelfläche und neuem Blinkerdesign, die aber früheren Angaben zufolge bereits vor gut einem Jahr in die Serie eingeflossen sind.

Der auch in diesem Segment nach wie vor wohl einzigartige Fond-Ruhesitz, bisher lediglich in den Limousinen mit langem Radstand verfügbar, wird ab sofort auf Wunsch auch auf der Beifahrerseite im Fond der Modelle Maybach 57 und 57 S eingebaut. Dies soll nach Mercedes-Doktrin "Liebhabern kompakterer Fahrzeugmaße" zugute kommen, vor allem in Städten und in Staaten mit Einsatzeinschränkungen für längere Fahrzeuge.

Außerdem hat Maybach die Sitzanlage für alle Modelle handwerklich noch weiter aufgewertet. Sie erhält eine optisch verfeinerte Grafik mit zusätzlichem Keder. Die Keder können auf Wunsch auch handgeflochten oder mit Swarovski-Elementen ausgestattet werden. Im oberen Teil der Sitzlehne findet sich eine neu gestaltete Plakette in handpoliertem 925er-Sterlingsilber mit dem Schriftzug "MAYBACH MANUFAKTUR".

Im übrigen dürfen sich Kunden auf nochmals erweiterte Individualisierungsmöglichkeiten freuen - wobei auch bisher schon nahezu alle Kunden-Wünsche gegen großzügige Aufschläge realisiert wurden. Neu im Standardprogramm sind neben drei Interieurausstattungen mit unterschiedlichen Leder-, Teppich- und Innenhimmelfarben sowie neuen Zierelementen auch die bisher dem limitierten Sondermodell Maybach Zeppelin vorbehaltene Flakon-Beduftungsanlage - ein ebenso dekandentes wie faszinierendes Extra, dass in dieser Güte sonst nirgendwo zu haben ist.

In den Maybach-62-Modellen ergänzt auf Wunsch ein in der Mitte der Trennwand befestigter Bildschirm im 19-Zoll-Format die 9,5-Zoll-Monitore im Fond. Apropos Trennwand: Sie lässt sich nun auch mit Wunsch-Motiven personalisieren. Wer sich im Fond bei undurchsichtiger Trennwand ausgiebig dem Faulenzen, Fernsehen oder ... der Frau hingeben will, muss künftig nicht mehr auf die Möglichkeit verzichten, das Verkehrsgeschehen vor sich überblicken können: Eine optionale Kamera überträgt es in die "Oase der Abgeschiedenheit" (Daimler-PR-Text).

Für drahtlosen Internetzugang während der Fahrt sorgt ein innovativer WLAN-Router, der sich via HSDPA, UMTS und GSM/EDGE mit der Außenwelt verbindet und im Fahrzeug bis zu drei mobile Geräte versorgen kann; der Unterhaltung widmet sich ein neuer Multiformat-DVD-Player.

Motorseitig gibt es nur kleine Änderungen. So steigt die Leistung in den S-Modellen um 13 auf nun 630 PS, während es sonst bei derer 550 bleibt. Gleichzeitig sinken die Verbrauchswerte um ebenfalls 0,6 bzw. 0,9 Liter auf nun 15,8 bzw. 15,0 Liter - für eine fast 6,20 Meter lange und drei Tonnen schwere Zwölfzylinder-Limousine ist das nicht einmal ein schlechter Wert, der wie die Fahrleistungen besser ist als beim britischen Mitbewerber. Dennoch: Ein Paukenschlag mit hohem PR-Wert wäre allein die Vorstellung eines Hybridantriebs gewesen.

Die übrige Technik bleibt unverändert, was auch bedeutet, dass Mercedes hier an der elektrohydraulischen Bremsanlage SBC, die einst in der E-Klasse (W 211) so viel Ärger machte, festhält. Gleiches gilt für die Fünfgang-Automatik. Neue Assistenzsysteme sind nicht angekündigt, so dass Maybach hier gegenüber aktuellen Mercedes selbst der Oberen Mittelklasse weiterhin im Rückstand bleibt.

Mit der Modellpflege hat Maybach eine neue Garantieregelung eingeführt, die bis zu acht Jahre oder 200.000 Kilometer gilt. Die vielfältigen Varianten des Service- und Garantiepakets können zu unterschiedlichsten Zeitpunkten erworben und ganz nach persönlichen Bedürfnissen wieder verlängert werden. Einzigartig: Eingeschlossen sind beispielsweise auch Ersatz für Verschleiß, wie Lack, Leder, Holz, Teppich, Polster sowie Geräuschreparaturen.

Und was hat Daimler bewogen, die Limousinen letztendlich so marginal zu überarbeiten? Man weiß es nicht genau. Eine Möglichkeit ist, dass es einen Nachfolger geben wird und der Autobauer das aktuelle Modell bis dahin einigermaßen am Leben erhalten muss. Eine andere Theorie besagt, dass Mercedes hier ein Schrecken ohne Ende praktiziert, weil der Mut für die umgekehrte Variante fehlt.

In Deutschland übrigens wurden im vergangenen Jahr 31 Maybach neu zugelassen, das sind mehr als doppelt so viele wie Rolls-Royce Phantom hierzulande auf die Straßen kamen. Zwei Käufer haben ihren automobilen Traum nicht einmal von der Steuer abgesetzt.

Apropos, die Preise: Theoretisch, also ohne jedes Extra, ist ein Maybach 57 in Deutschland für exakt 405.671 Euro (brutto) zu haben, minimal günstiger als der Phantom. Das Topmodell 62 S kostet ab 545.258 Euro. Das ist völlig verrückt, mag man zutreffenderweise denken, aber es gab schon erheblich teurere Mercedes.
text  Hanno S. Ritter
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