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Minus-18-Grad-Editorial
Warmlaufenlassen: Dämlich, aber keine echte Sünde
Bei Minusgraden morgens das Auto warm laufen zu lassen, ist für Umwelt und Motor schlecht und überdies weitgehend
wirkungslos. Dass man es vielleicht trotzdem einmal tut, ist aber kein Weltuntergang, meint Hanno S. Ritter.
Wenn man morgens erst den Motor am Auto startet und dann zu Schneebesen und Eiskratzer greift, ist das objektiv
betrachtet ziemlich dämlich. Der Motor nämlich wird nicht warm, jedenfalls keiner von denen, die ich schon in diesen
Situationen erlebt habe - ein Zehnzylinder mag da anders sein. Unseren TDI jedenfalls könnte man bei minus 10 Grad
vermutlich bis zur Mittagspause laufen lassen, ohne dass sich die Temperaturanzeige bewegen würde - und das nicht nur,
weil das Thermometer Gerüchten zufolge sowieso auf eine teilweise bewusst unzutreffende Anzeige programmiert ist.
Vielmehr läuft die Maschine dann mit erhöhter Drehzahl vor sich hin, das Öl ist kalt und schmierunwillig, der Verschleiß
steigt, die Nachbarn sind angesichts von Lärm und/oder Abgas genervt. Die Heizung kriegt die Frontscheibe garantiert nicht
frei, und der einzige Vorteil ist, dass man schon vor dem Einsteigen die Sitz- und Heckscheibenheizung aktivieren kann,
ohne der Batterie allzu viel zuzusetzen.
In aller Regel verzichten wir darauf, solche Themen angeblich verbraucherfreundlich in Ratgeber-Artikel zu pressen -
die, die es anginge, lesen und/oder verstehen so etwas überwiegend nicht, und die anderen wissen sowieso Bescheid. Dies
gilt auch für den Herrn, der mir unlängst morgens bei minus 18 Grad zu verstehen gab, es sei unmöglich, dass ich mein
Auto laufen lasse. Ja, richtig gelesen, ich habe genau das gemacht, was so sinnlos ist - und überdies verboten.
Auf mein vermeintliches Fehlverhalten angesprochen, war ich erst einmal überrascht und unsicher, ob ich die Zivilcourage des
Mannes gut finden sollte - oder seine Einmischung absurd dämlich. Im Gespräch kam heraus, dass er die große weiße Wolke
aus dem Auspuff für Gift hielt - tatsächlich ist es überwiegend Wasserdampf, der uns alle bei kalten Temperaturen
auf die sonst inzwischen meist arbeitslos aussehenden Endrohre hinweist. Nun, ich hatte es eilig, wollte in der Kälte
keine Grundsatzdiskussionen führen, finde aber schon, dass das "Warmlaufenlassen" nun auch keine so große Sünde ist.
Ich frage die Leute ja auch nicht, ob sie bitteschön das spritsparende BlueMotion-Technology-Paket mitbestellt haben,
schon EfficientDynamics unter der Haube haben, sich an die Richtgeschwindigkeit halten oder warum sie eigentlich überhaupt
nicht mal eine Fahrzeugklasse absteigen, einen Hybrid kaufen oder den Bus nehmen. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen, mit
dem Gewissen, der Fahrleistung und den sonstigen Anforderungen an Platz, Sicherheit, Image et cetera. Alles andere ist eine
unbefriedigende Diskussion ähnlich derer, warum man überhaupt Auto fährt, Fleisch isst oder täglich ein frisches Hemd anzieht.
Merke: Nicht jeder, der einen "fetten" Audi Q7 besitzt, ist per se ein überdurchschnittlicher Umweltsünder.
Vermutlich ist das Warmlaufenlassen zumindest auch ein Überbleibsel von früher, als es öfter nicht sicher war, ob das Auto
überhaupt anspringt. Da wollte man vor dem Kehren und Kratzen die Gewissheit haben, das nicht sinnlos zu machen. So war es
etwa vor über zwanzig Jahren bei meinem damaligen - genauer: bei Mutters - Fiat Panda I 34, der bei Frost manchmal schlicht den
Dienst verweigerte und mit mittig durchgebrochenem Lenkrad dastand. Natürlich hat man die Kiste "warm" laufen lassen, vielleicht
war es damals auch cool.
Neulich war ich in sogar einem modernen Auto unterwegs, das gerade so eben nur angesprungen war und überdies einen fast leeren
Tank hatte. Dann lasse ich den Motor ausnahmsweise selbst beim Tanken laufen, auf dass ich nicht wieder Starthilfe benötige.
Ansonsten muss mein Auto nur sehr selten "warm" laufen - aber wenn, dann ist es eben so. Es ist eine Sünde, eine vermeidbare
dazu, aber auch nur eine lässliche. Man sollte die Kirche im Dorf lassen. So what?
text Hanno S. Ritter
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