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Dienstag, 16. April 2024
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Zwölfzylinder-Limousine mit bivalentem Antrieb kommt im Winter

BMW Hydrogen 7: Wasserstoff-Siebener vor dem Serienstart

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Antrieb: BMW Hydrogen 7
BMW
Das BMW-Versprechen, noch während der Bauzeit der aktuellen 7er-Generation ein Wasserstoff-Auto in Serie zu bringen, ist schon ein paar Jahre alt. Nun wird es tatsächlich erfüllt: Die "Hydrogen 7" getaufte Luxuslimousine könnte als Meilenstein für alternative Antriebe in die Geschichte eingehen.
Basis des Wasserstoff-Autos ist ein BMW 760Li, also das Zwölfzylinder-Topmodell des Münchner Autobauers, was viel mit Image und Konventionen zu tun hat, aber auch mit dem benötigten Platz für die zusätzliche Technik.

Doch zuerst ein Blick auf den Antrieb: Aus einem Hubraum von 6,0 Litern erzeugt das in vielen Details modifizierte V12-Triebwerk eine Leistung von 260 PS (Serie: 445 PS). Das maximale Drehmoment beträgt 390 (600) Newtonmeter und wird bei einer Motordrehzahl von 4.300 Touren (3.950) erreicht. Damit beschleunigt die Limousine in 9,5 (5,6) Sekunden auf Tempo 100 und erreicht eine elektronisch limitierte Höchstgeschwindigkeit von 230 (250) km/h. Diese Werte werden sowohl im Wasserstoff- als auch im Benzinbetrieb erreicht.

Letzterer ist nach wie vor möglich - schon weil es in Deutschland bisher nur zwei Wasserstoff-Tankstellen gibt. Die Reichweite als wesentliche Voraussetzung für eine Praxistauglichkeit des Autos beträgt im Wasserstoff-Betrieb gut 200 Kilometer, weitere 500 Kilometer können im Benzin-Modus zurückgelegt werden.

Füllstände und Reichweiten beider Kraftstoffsysteme können vom Fahrer mit Hilfe einer Taste im Blinkerhebel abgerufen werden. Die entsprechenden Werte werden im Cockpit-Display unterhalb der Geschwindigkeitsanzeige dargestellt. Die Umschaltung zwischen Wasserstoff- und Benzin-Betrieb kann manuell über eine separate Taste im Multifunktionslenkrad erfolgen. Während der Fahrt im Wasserstoffmodus erscheint im Display anstelle des Außentemperaturwertes und der Uhrzeit das chemische Symbol für molekularen Wasserstoff: H2.

Der Benzintank fasst 74 Liter (Super Plus ist erwünscht), der zusätzliche Wasserstoffspeicher nimmt rund acht Kilogramm Wasserstoff auf, wobei BMW nach wie vor wegen der höheren Energiedichte auf flüssigen Wasserstoff setzt. Der H2-Tank, mitentwickelt von Magna Steyr, besteht aus einem doppelwandigen Tank, dessen Innen- und Außenhülle aus jeweils zwei Millimeter starkem Edelstahlblech gefertigt werden. Zwischen Innen- und Außentank befindet sich eine 30 Millimeter starke Vakuumsuperisolation. Mit dieser Anordnung wird die Wärmeleitung auf ein Minimum reduziert. Die Zwischenschicht erreicht die Isolationswirkung von etwa 17 Metern Styropor.

Diese Isolationstechnik führt zu einer in der herkömmlichen Praxis bisher unerreichten Temperaturkonstanz. Ein plakatives Beispiel: Würde ein derartiger Speicherbehälter beispielsweise mit kochendem Kaffee gefüllt, so bliebe dieser mehr als 80 Tage lang heiß. Erst danach wäre die Temperatur des Getränks so weit gesunken, dass es genießbar wäre. Ebenso effektiv wird für gleich bleibende Kälte gesorgt: Die hochwirksame Isolation ermöglicht es, den flüssigen Wasserstoff über einen langen Zeitraum bei einem Druck von drei bis fünf bar und einer konstanten Temperatur von ca. minus 250 Grad Celsius zu speichern.

Langer Zeitraum bedeutet dabei etwa neun Tage, bis ein halb voller Tank auf etwa 10 Prozent Füllung gesunken ist. Bevor der Wasserstoff dem Tank entnommen und dem Motor zugeführt wird, erfolgt eine Umwandlung in einen gasförmigen Zustand und eine Erwärmung.

Die Befüllung des Wasserstoff-Tanks läuft weitgehend nach dem vom regulären Tanken bekannten Muster ab. Der Fahrer öffnet die Tankklappe per Druck auf eine Taste im Cockpit. Danach kann die Betankungskupplung mit einer einfachen Arretierbewegung an den Tankverschluss angeschlossen werden. Der weitere Betankungsvorgang vollzieht sich automatisch, dauert aber etwa acht Minuten. Für die Ausrüstung aller weltweit vorhandenen Flüssigwasserstoff-Tankstellen wurde in Kooperation zwischen Automobilproduzenten, der Versorgungswirtschaft und der Firma Linde eine einheitliche Betankungskupplung entwickelt, die zum Standard werden soll.

Aufgrund der Anordnung des Wasserstoff-Speichertanks unterhalb der Hutablage und hinter der Rücksitzbank reduziert sich das Kofferraumvolumen auf 225 Liter; ferner ist die Mittelarmlehne im Fond fest installiert, das Auto mithin als Viersitzer ausgelegt. Die Rücksitzbank ist um etwa 115 Millimeter weiter vorn platziert als bei der ausschließlich mit Benzin betriebenen Langversion des BMW 7er, jedoch um etwa 25 Millimeter weiter hinten als in der Limousine mit normalem Radstand, so dass der Komfort nicht über Gebühr sinkt.

Im übrigen sind die Hydrogen 7-Modelle nochmals reichhaltiger ausgestattet als die "normalen" Zwölfzylinder, wobei BMW hier in den Unterlagen zum Auto mächtig schummelt und 760er-Serienumfänge als Extras beschreibt. Erwähnenswert erscheinen die Klimakomfort-Verbundverglasung, die Standheizung und der Fernlichtassistent. Das große Audio- und Navigationssystem mit CD-Wechsler sowie ein Fondmonitor samt DVD-Wechsler und TV-Funktion mit DVB-T-Empfang und ein separates Telefon im Fond sind ebenfalls Standard.

Auch im Design gibt sich der Hydrogen 7 zu erkennen - an kleinen Details wie den Sonnenschutzrollos für die hinteren Seitenscheiben, die wie die beleuchteten Einstiegsleisten den Aufdruck "BMW Hydrogen Power" tragen, und an auffälligeren Modifikationen wie etwa dem erhöhten "Powerdome" auf der Motorhaube, was laut BMW auch auf den höher bauenden Motor zurückzuführen ist. Dazu kommen 18-Zoll-Räder (optional 19 Zoll) mit Runflat-Reifen auch im Winter und einem neuen Drucküberwachungssystem.

Fahrwerk, Regelsysteme und Abstimmung wurden dem höheren Gewicht angepasst; ferner sorgen diverse Details für eine höhere Crashsicherheit. Speziell für den Hydrogen 7 wurde etwa eine neuartige CFK-Stahl-Mischbauweise entwickelt. Die Seitenrahmen rechts und links sind umlaufend mit CFK verstärkt, um die Fahrgastzelle zusätzlich zu versteifen.

Auf den Markt kommen soll der Hydrogen 7 im Winter 2006 - und BMW ist sich bewusst, dass es sich um eine Bewährungsprobe handelt, solche Autos - mutmaßlich nur per Leasing - in Kundenhand zu geben. 28 Jahre nach Beginn der Wasserstoff-Forschung im Hause BMW und immerhin noch sechs Jahre nach Präsentation der 750hL-Demonstrationsflotte auf der EXPO in Hannover beginnt damit möglicherweise eine neue Ära.

Neben der ständigen Weiterentwicklung der Wasserstoff-Technik besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der damaligen Flotte und dem jetzigen Modell darin, dass letzteres nicht wie ein Forschungsfahrzeug aufgebaut wurde, sondern den üblichen Entwicklungs- und Produktionsprozess bei BMW durchlaufen hat bzw. durchläuft.

Ob und in welcher Form Wasserstoff-Autos je in Großserie kommen werden, bleibt ungewiss - aber es ist eine Option, die unabhängig von fossilen Energieträgern machen kann, die möglicherweise in der Energieerzeugung nachhaltig gestaltet werden kann, und die auch abseits solcher Fragestellungen spannend klingt: Aus dem Auspuff kommt im wesentlichen Wasserdampf.

Die Technik der Brennstoffzelle, die man beim Mitbewerber Mercedes favorisiert, wird bei BMW ebenfalls weiter verfolgt; Ziel ist hier allerdings mehr eine zusätzliche Integration sowohl bei Benzin- als auch bei Wasserstoff-Autos, etwa zur Stromversorgung des Fahrzeugs.
text  Hanno S. Ritter
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