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Besser, aber nicht gut: Brilliance BS4 im Crashtest |
ADAC |
Neues Crashtest-Ergebnis für den chinesischen Hersteller Brilliance: Nachdem vor zwei Jahren der BS6
im Test gnadenlos versagte, stand nun der neue BS4 auf dem Prüfstand. Er schnitt erkennbar besser ab,
doch noch längst nicht gut. Der Hersteller verwahrt sich unterdessen gegen die ADAC-Bewertung.
Der Crashtest wurde vom ADAC in Kooperation mit dem ÖAMTC aus Österreich und den schweizerischen
und holländischen Autoclubs durchgeführt, den Angaben zufolge nach den EuroNCAP-Regularien. EuroNCAP
selbst hat aber mit der Sache offenbar nichts zu tun.
Der ADAC vermeldete denn auch am Donnerstag (27.3.) das Ergebnis des Crashtests: Drei Sterne hätte es
nach dem alten Bewertungsschema gegeben, null nach dem neuen, weil dem BS4 aktive Sicherheitsausstattung
wie Gurtwarner, Geschwindigkeitsbegrenzer und ESP völlig fehlen.
Hauptkritikpunkt der Tester: Beim Frontalaufprall mit Tempo 64 km/h drohe die Fahrgastzelle zu kollabieren.
Damit entspreche der Mittelklassewagen aus China etwa dem technischen Stand der späten 1990er-Jahre.
Gegenüber seinem größeren Bruder, dem BS6 auf gleicher Plattform, den der ADAC 2007 noch nach dem alten
Verfahren testete und nur mit einem Stern bedachte, hat sich der neue Brilliance deutlich verbessert
und hätte entsprechend drei Sterne erreicht. Trotzdem ist der BS4 noch weit entfernt vom derzeitigen
Sicherheitsstandard. So reißt das Bodenblech im Fahrerfußraum beim Frontalcrash großflächig auf, die
Armaturtafel dringt in den Innenraum ein. Scharfkantige Blechteile, die sich unterhalb der Armatur
befinden, sind nicht abgedeckt oder gepolstert - ein hohes Risiko für Knie und Oberschenkel des Fahrers,
bemängelte der Club. Kupplungs- und Bremspedal würden zu Spießen.
Auch das Lenkrad entpuppte sich als Gefahr: Durch den nicht optimal positionierten Airbag gefährde es
nicht nur den Brustbereich, hieß es - auch der Fahrerkopf durchschlage das vermeintlich schützende
Polster und treffe auf das Steuerrad. Beim Seitencrash sieht es besser aus: Die stabile Türsäule
verhindert ein Eindringen der Stoßbarriere. Der große Seitenairbag schützt Rippen und Kopf recht gut,
der Bauchbereich ist allerdings ungeschützt.
Die genauen Punktwertungen hat der ADAC seltsamerweise nicht veröffentlicht; sie - nach der alten Norm -
finden sich aber u.a. beim ÖAMTC. Danach kam der BS4 auf 20 von 37 Punkten in punkto Insassensicherheit.
Dies ist für heutige Verhältnisse ein sehr schlechtes Ergebnis, wenn auch kein absoluter Reinfall: Dacia
Logan, Fiat Panda oder Kia Cerato und Picanto waren in den letzten Jahren auch nicht besser.
Am Abend folgte dann die Stellungnahme von Brilliance, genauer gesagt von HSO Motors Europe, dem europäischen
Generalimporteur der Marke. Dort man zeigt man sich verärgert. "Bemerkenswert ist, dass die Partner des ADAC
[...] bei gleicher Faktenlage unisono den Ausgang des Crashtests mit drei Sternen bewerten", heißt es in
der Mitteilung. Der ADAC verunsichere die Menschen mit Schreckensmeldungen und führe die Öffentlichkeit in
die Irre, wenn er alle Sterne eliminiere und sein Null-Sterne-Ergebnis mit null Sicherheit gleichsetze. Die
anderen beteiligten Automobilclubs informierten hier deutlich transparenter. "Es drängt sich der Eindruck auf,
dass hier eine Karte gespielt wird, die politische Dimensionen hat", so HSO.
Tatsächlich findet sich der Null-Sterne-Hinweis beim schweizerischen TCS nicht und beim niederländischen ANWB
nur versteckt in einem mehrseitigen pdf-Dokument. Der ÖAMTC dagegen weist in der Test-Veröffentlichung jedenfalls
am Freitag Mittag auf die Null-Sterne-Bewertung nach dem neuen EuroNCAP-Bewertungsschema unübersehbar hin.
Insgesamt aber besteht kein Zweifel: Der BS4 ist merklich sicherer als der BS6 von 2007, aber nicht sicher genug.
Und: Erreicht ein Auto in der neuen EuroNCAP-Kategorie aktive Sicherheit bzw. Assistenzsysteme null Punkte, so
kann es in der Gesamtwertung ebenfalls nicht besser als mit null Sternen bewertet werden. Nichts anderes hat der
ADAC behauptet. HSO/Brilliance mag diese Art der Bewertung falsch finden, sollte aber nicht so tun, als erfolge
sie ohne Grundlage.